Kann man Geschwister ungleich behandeln?

Verstirbt jemand, ohne eine Verfügung von Todes wegen zu hinterlassen, gilt die gesetzliche Erbfolge des ZGB. Die Erbberechtigung bestimmt sich nach dem Verwandtschaftsgrad der infrage kommenden Personen zum Erblasser. Mit der Erbrechtsrevision stehen Änderungen an.

Stellung von Geschwistern in der gesetzlichen Erbfolge

Die nächsten Erben eines Erblassers sind seine Nachkommen. Sofern jemand Kinder hat, erben diese zusammen mit dem überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partner. Erhalten keine Nachkommen (also auch Enkelinnen und Enkel) die Erbschaft, fällt sie an die Verwandten des sogenannten elterlichen Stamms. Dazu gehören auch die Geschwister des Erblassers, sofern die gemeinsamen Eltern bereits verstorben sind oder aus anderen Gründen nicht erben.

Die Geschwister des Erblassers gehen seinen Nachkommen nach. Untereinander haben die erbenden Geschwister nach den gleichen Grundsätzen zu teilen. Zwischen den Erbinnen und Erben gelten die Grundsätze der Gleichberechtigung und der Gleichbehandlung. Sie erben zu gleichen Teilen und haben grundsätzlich gleichrangige Ansprüche auf einzelne Gegenstände aus der Erbschaft.

Letztwillige Zuwendungen an Geschwister

Die Verfügungsfreiheit gestattet es der Erblasserin bzw. dem Erblasser, von der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen. Das ist zu Lebzeiten bspw. durch Schenkungen, Erbvorbezüge oder Erbeinsetzung bzw. Ausrichtung von Vermächtnissen in einer Verfügung von Todes wegen möglich. Sofern jemand Kinder hat, seine eigenen Geschwister aber dennoch letztwillig begünstigen möchte, so muss er sie als Erben einsetzen oder ihnen ein Vermächtnis ausrichten.

Der Verfügungsfreiheit ist allerdings durch das Pflichtteilsrecht Grenzen gesetzt. Der Erblasser kann nur über die freie Quote verfügen. Dabei handelt es sich um den Bruchteil der Erbschaft, der nicht zwingend den Pflichtteilserben zusteht. Die freie Quote ist unterschiedlich gross und unterscheidet sich je nachdem, wer erbt. Geschwister des Erblassers haben keinen Pflichtteilsanspruch. Die Pflichtteile der Nachkommen betragen mit der Erbrechtsrevision ab 1. Januar 2023 die Hälfte ihres jeweiligen gesetzlichen Erbrechts.

Mit dem neuen Erbrecht fällt der Pflichtteil für Eltern weg. Bisher galten diese als pflichtteilsgeschützt, sofern der Erblasser kinderlos blieb. Folglich kann in einem solchen Fall das ganze Erbe dem Überlebenden Partner, der überlebenden Partnerin vermacht werden. Die Ehegattenbegünstigung wird zudem weiter ausgebaut, indem dem überlebenden Teil neu die Hälfte des Nachlasses als Eigentum übertragen werden kann.

Verletzt ein Testament oder ein Erbvertrag den Pflichtteil eines geschützten Erben, kann dieser sich mit der Herabsetzungsklage dagegen wehren. War der Erblasser nicht verfügungsfähig, ist er Willensmängeln unterlegen, hat die Verfügung rechts- oder sittenwidrige Inhalte oder leidet sie an einem Formmangel, kann jeder Erbe oder Vermächtnisnehmer mit Aufhebungsinteresse sie mit der Ungültigkeitsklage anfechten. Wird die Herabsetzungsklage gutgeheissen, greift die gesetzliche Erbfolge. Nach dieser sind Geschwister untereinander grundsätzlich gleichberechtigt.

Ausgleichung von lebzeitigen Zuwendungen

Neben den Anordnungen in Testament oder Erbvertrag ist der Erblasser befugt, zu Lebzeiten über sein Vermögen zu verfügen. Das bedeutet unter anderem, dass er Personen seiner Wahl unentgeltliche Zuwendungen ausrichten kann. Ob diese später, im Zuge des Erbgangs, gegenüber den anderen Erben auszugleichen sind, hängt nicht von der Beziehung zwischen Erblasser und Empfänger sowie von allfälligen Ausgleichungsanordnungen ab.

Dem Grundsatz nach haben gesetzliche (aber auch eingesetzte) Erbinnen und Erben nur diejenigen Zuwendungen auszugleichen, für die der Erblasser die Anrechnung auf den Erbteil bestimmt hat. Dies gilt bspw. für Schenkungen des Erblassers an seine eigenen Geschwister, insofern ihnen überhaupt eine Erbenstellung zukommt.

Zwischen mehreren Nachkommen eines Erblassers, die untereinander Geschwister sind, vermutet das Gesetz hingegen eine Gleichbehandlungsabsicht. Daher unterstehen Zuwendungen an Nachkommen als Heiratsgut, Ausstattung oder durch Vermögensabtretung und dergleichen der Ausgleichung. Dies insbesondere, sofern der Erblasser nicht ausdrücklich das Gegenteil verfügt hat oder die Erbinnen und Erben einstimmig etwas anderes beschliessen. Der Ausgleichung sind – vereinfacht gesagt – alle grösseren Zuwendungen unterstellt, die der Begründung, Sicherung oder Verbesserung der Existenz des Empfängers dienen.

Da die Ausgleichung kein zwingendes Recht ist, besteht eine grosse Gestaltungsfreiheit. Der Erblasser kann Zuwendungen der Ausgleichung unterwerfen, die von Gesetzes wegen nicht vorgesehen sind. Er kann aber auch Erben von der gesetzlichen Ausgleichungspflicht ganz oder teilweise befreien. Beides ist im Voraus oder im Zeitpunkt der Zuwendung zulässig. Die nachträgliche Anordnung einer Ausgleichungspflicht für bereits erfolgte Schenkungen ist hingegen laut der Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts nicht möglich.

Grenze der lebzeitigen Verfügungsfreiheit ist abermals das Pflichtteilsrecht. Nachkommen, die wegen Geschenken oder anderen Begünstigungen des Erblassers keine Deckung für ihren Pflichtteil erhalten, können auch dafür die Herabsetzung verlangen. Selbst wenn die lebzeitigen Zuwendungen nicht der Ausgleichung unterworfen sind.

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