Eine Totenmaske macht vergängliches unvergänglich

Christoph Stüssi ist eine Art Kunsthandwerker. Mit einer Totenmaske schafft er ein kleines, feines Kunstwerk. Für Hinterbliebene ist sie eine ewige Erinnerung an einen Stillgewordenen.

Dass er für die Stadt Zürich als Bestatter arbeitet, hängt Christoph Stüssi nicht mehr an die grosse Glocke. «Die Leute sind dann leicht irritiert. Entweder wollen sie gleich das Thema wechseln, finden gar, ich hätte die Party gestört, ihnen den Abend ‹versaut›. Oder dann fragen sie mir Löcher in den Bauch, wollen alles wissen über den Beruf. Darum sage ich meistens nur noch, ich würde ‹im Sozialen› arbeiten.»

Der Beruf des Bestatters entpuppte sich für den Zürcher als eigentliche Berufung. «Ich merkte das im Militär, als ich mit Verstorbenen in Berührung kam. Das faszinierte mich», sagt Christoph Stüssi. «Nur einen Job erhielt ich bei keinem Bestatter. Also besuchte ich auf eigene Rechnung Fachkurse und hatte dann Glück, als die Stadt Zürich einen Bestatter suchte.»

Die Totenmaske als ewige Erinnerung

Das war vor 16 Jahren. In der Zwischenzeit hat Christoph Stüssi einiges über 8000 Menschen, Erwachsene und Kinder, eingesargt. Und vor zehn Jahren erlernte er zusätzlich noch ein altes Handwerk. Zusammen mit seinem Kollegen Andreas Frei fertigt er Totenmasken an. «So kann ich Vergängliches unvergänglich machen», sagt er. «Bei der Arbeit am Verstorbenen steht eine pietätvolle, ruhige Behandlung im Mittelpunkt. Mit dieser guten alten Handwerksarbeit können wir ein kleines, feines Kunstwerk schaffen, können den lebenden Kunden eine ewige Erinnerung an ihre verstorbenen Angehörigen übergeben.»

«Ich erkläre den Verstorbenen, was ich vorhabe»

Bevor Christoph Stüssi mit seiner Arbeit beginnt, den ersten Silikon-Aufstrich mit dem Pinsel macht, erklärt er dem Verstorbenen, dass die Angehörigen diese kurze Störung wünschen. «Dieser stille, leise Hinweis gehört für mich dazu. Danach kann ich frei und gelöst arbeiten.»

Den Kopf eines Verstorbenen, einer Verstorbenen pinselt Christoph Stüssi zuerst mit einer so genannten Abformmasse dünn ein. Die Textur ist sehr fein. Deshalb sind später kleinste Unebenheiten oder Feinheiten der Haut sichtbar. Die Masse hat einen weiteren Vorteil: «Wir können sie gut ablösen.» Bevor das soweit ist, trägt der Bestatter eine dickere, knallgrüne Masse auf. «Sie stabilisiert.» Sobald alles trocken ist, kann Christoph Stüssi die Masse, die sogenannte Negativform vom Gesicht ablösen. «Das schmerzt nicht. Deshalb können wir solche Masken auch von lebenden Personen anfertigen.»

Totenmaske soll Ruhe und Sanftmütigkeit ausstrahlen

Fertiggestellt wird die Maske dann bei einem spezialisierten Unternehmen in Deutschland. Damit die Spezialisten Haare, Schnauz oder Bart herausarbeiten können, schickt Christoph Stüssi einige Fotos der Verstorbenen mit. Eine Maske aus Gips oder Bronze kostet je nach Material 1800 bis 3800 Franken. Jährlich entstehen in Zürich rund drei bis fünf dieser einzigartigen Erinnerungsstücke.

Die Herausforderung für Christoph Stüssi ist bei jeder Maske dieselbe: «Ein Gesicht soll Ruhe und Sanftmütigkeit ausstrahlen, das möchte ich für die Hinterbliebenen herauskitzeln, respektive herauspinseln.»

Der Autor fragt den Bestatter und Totenmaskenmacher, was denn der Tod für ihn bedeute? Christoph Stüssi denkt kurz nach. «Der Gesichtsausdruck mancher Verstorbener ist so etwas von entspannt und gelöst, also muss der Übertritt ins Totenreich sehr schön, entspannend, ja erlösend sein.» Er hält kurz inne und schaut sich um im leeren Aufbahrungsraum. «Ich lebe im Hier und Jetzt. Befasse mich nicht mit irgendwelchen Theorien wie es dort, wie es danach sei. Das machen ja genügend andere Leute.»

Chrstoph Stüssi und Martin Schuppli mit Totenmaske
Christoph Stüssi, Mitarbeiter im Bestattungs- und Friedhofamt der Stadt Zürich erklärt DeinAdieu-Autor Martin Schuppli wie er Totenmasken anfertigt. (Foto: Bruno Torricelli)

«Warum den Tod fürchten?»

Fürchtet er sich vor dem Tod? Wieder ist es still im Raum. Leise erklingen einige Töne aus der Abdankungshalle nebenan. Christoph Stüssi sagt mit einem Augenzwinkern: «Es ist ja noch nie jemand zurückgekommen. Also muss es ‹dort›, wo auch immer, viel schöner sein als hier. Grundsätzlich gilt für mich, Angst oder Furcht ist ein schlechter Lebensbegleiter. Wenn, dann habe ich Respekt. Aber auch nicht mehr allem gegenüber.»

Text: Martin Schuppli, Foto: Bruno Torricelli

Modell für diese Totenmaske war ein Lebender: Andreas Frei, Bestatterkollege von Christoph Stüssi. (Foto: Bruno Torricelli)
Modell für diese Totenmaske war ein Lebender: Andreas Frei, Bestatterkollege von Christoph Stüssi. (Foto: Bruno Torricelli)

Fingerprints und Babyfüessli

Christoph Stüssi und Andreas Frei fertigen nicht nur Totenmasken. Wer möchte, kann Fingerprints haben – von Verstorbenen wie auch von Lebenden. Aus solchen Negativabdrücken lassen sich Schmuckstücke fertigen. Etwa Ringe für Finger, Halsketteli oder Anhänger für Ohrringe. Gefragt sind aber auch ‹Baby-Füessli›. Ein schmuckes Geschenk für jemanden, der dann 18 Jahre später seine Volljährigkeit feiert.

Interessiert? Melden Sie sich beim

Bestattungs- und Friedhofamt
Stadthausquai 17, Stadthaus, 8001 Zürich

Tel. +41 44 412 31 78 | www.zuerich.ch

2 Antworten auf „Eine Totenmaske macht vergängliches unvergänglich“

Tschée Diener sagt:

De christoph und nid thomas! ?

DeinAdieu sagt:

Merci für den Hinweis liebe Frau Diener – haben es gerade korrigiert;-)

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