Schwester Jolenda findet für Jeden erlösende Worte

Die Baldeggerschwester Jolenda Elsener leitet das Hospiz St. Antonius in Hurden SZ. «Wir begleiten Sterbende auf ihrem letzten Weg.»

«Hier möchte ich auch sterben», sagt der Chronist spontan. «Dieser Blick auf den See, hinüber in die Hügel, in die Schneeberge und hinauf in den Himmel. Das ist grossartig.» Schwester Jolenda Elsener lächelt fröhlich. Ihren Balkon zeigt sie gerne. «Hier sitzen unsere Gäste oft», sagt die Baldegger Schwester. «Sie trinken Café, Tee oder ein Glas Wein. Die einen rauchen und reden, andere schweigen. Alle warten sie. Unsere Gäste sind schwerkrank. Sie liegen im Sterben, warten auf den Tod.»

Schwester Jolenda leitet das Hospiz St. Antonius in Hurden SZ. Es ist im obersten Stock des St. Antonius Heim* untergebracht. Aus allen vier Zimmern können die Gäste den See, die Berge, den Himmel sehen. Ein optimaler Ort für Menschen, die palliativbetreut in einem familiären Umfeld sterben möchten. Schwester Jolenda sagt: «Unsere Gäste dürfen darauf zählen, dass wir ihre Schmerzen so gut wie möglich lindern. Ihnen allfällige Ängste nehmen. Ja, wir nehmen sie an der Hand und begleiten sie auf ihrem letzten Weg.»

Im Hospiz St. Antonius ist jeder willkommen

Wer ins Hospiz St. Antonius eintritt, verlässt es in der Regel «mit den Füssen voran», sagt Schwester Jolenda. « Wir sind weder ein Pflege- noch ein Ferienheim. Im Durchschnitt sind unsere Gäste drei Wochen hier. Es sind schwerkranke Menschen in ihrer letzten Lebensphase.»

Die Hospizleiterin erzählt von Menschen, die sich zu Hause oder im Spital nicht vom Leben lösen wollen. «Bei uns können sie das. Loslassen. Wir reden zusammen, sind fröhlich, sind ernst.» Für die drei Baldegger Schwestern spielt es keine Rolle, welchem Glauben oder welcher Konfession die Gäste angehören. «Wir haben nur den einen Auftrag, dem Gast Raum und Zeit zu geben, dass es ihm gelingt, bei sich im Innersten anzukommen», sagt Schwester Jolenda. «Damit seine Seele in einem tiefen Frieden den kranken Körper verlassen kann. An einem Sterbebett muss ich nicht von Gott oder Jesus reden, dann bringe ich vielleicht den Schöpfer ins Spiel, je nach Biographie des Patienten. Am wichtigsten ist, dass man noch hört, was der sterbende Mensch möchte, wenn er auch nicht mehr sprechen kann. Wir missionieren nicht, wir sind einfach da. Wir wohnen mit den Gästen unter einem Dach. Haben einen gemeinsamen Wohnraum. Bei uns sind immer dieselben Pflegenden da, die gleichen Begleiterinnen, Betreuerinnen. Der eigene Arzt oder der Arzt des Hospiz.»

Schwester Jolenda ist eine fröhliche Person. Schlagfertig. Aus ihren Augen blitzt Schalk. «Einmal sagte einer der Gäste nach seinem Eintritt: ‹Ich bin dann Atheist›. Darauf antwortete ich ihm: ‹Ja, dann verbindet uns der Glaube. Sie glauben es gibt keinen Gott und ich glaube es gibt ihn, diesen Gott›.» Der Mann war sprachlos – der Chronist übrigens auch. Munter erzählt sie weiter, die Ordensfrau mit dem weissen Häubchen, dem umgehängten Kreuz. «Zu uns dürfen alle kommen. Letzthin begleitete ein Mann seinen Mann zu uns. Knapp drei Wochen lebten sie in einem der vier Zimmer. Der Gesunde half mit, seinen kranken Partner zu pflegen und zu begleiten. Wir weisen niemanden ab. Wer will, der darf mit uns beten, darf an den Gottesdiensten in der hauseigenen Kapelle teilnehmen. Aber wir heissen auch Seelsorger anderer Glaubensrichtungen willkommen.»

Schwester Jolenda Elsener: Gütige Hände
Schwester Jolenda Elsener: «Unsere Gäste dürfen darauf zählen, dass wir ihre Schmerzen so gut wie möglich lindern. Ihnen allfällige Ängste nehmen. Ja, wir nehmen sie an der Hand und begleiten sie auf ihrem letzten Weg.»

Familiäre Atmospäre im Sterbehospiz

Die familiäre Atmosphäre, die grosse Toleranz und die gelebte Nächstenliebe sind wohl Gründe, dass das Hospiz St. Antonius eigentlich immer ausgebucht ist. «In den vier Jahren durften wir 160 Sterbende begleiteten», sagt Jolenda Elsener. Sie und ihre zwei Mitschwestern betreuen die Gäste mit grosser Liebe und viel Empathie. Sie erfüllen viele Wünsche. Will jemand beten, machen wir das gerne.

Exit, also das selbstbestimmte Sterben, ist im Hospiz kein Thema. «Klar darf jemand von Exit einen unserer Gäste hier beraten. Wer aber auf diese Art sterben möchte, kann das nicht hier machen», sagt die Hospiz-Leiterin. «Ich finde es feige, wenn jemand nicht die Geduld hat, zu warten, bis es Zeit ist. Verurteilen würden wir aber niemanden, der mit Exit aus dem Leben scheiden möchte. Das muss jeder mit sich selbst abmachen.»

Wenn ein sterbender Mann, eine sterbende Frau möchte, gebe ich den Segen

Für ein Gespräch über das Leben und den Tod, über Suizid und über eine schwere Krankheit finden Jolenda und ihre Mitschwestern immer freie Minuten. «Wenn ich dann spüre, dass die Zeit gekommen ist, frage ich einen sterbenden Mann, eine sterbende Frau, ob ich sie segnen solle. Die meisten bejahen das.  Dann zeichne ich das Kreuz auf ihre Stirn, segne sie mit Weihwasser.»

Viele Gäste sind konfessionslos oder aus der Kirche ausgetreten. In der hauseigenen Kapelle gestaltet Jolenda Abschiedsfeiern für Menschen deren Wunsch das war. Ich spreche einige tröstenden Worte, bete mit den Anwesenden. Die Asche Verstorbener wurde schon öfter in den Zürisee gestreut. Nicht direkt vom Steg aus. Die Angehörigen fahren dann mit unserem Pedalo hinaus auf den See.

Jolenda Elsener ist es sich gewohnt, mit ihren Gästen über den Tod zu reden. «Das ist ganz wichtig. Oft planen wir den Abschied, wie andere Leute eine Hochzeit planen.» Sie findet für jeden, für jede die richtigen Worte. «Ich erinnere mich an eine Frau, die wollte das Leben einfach nicht loslassen. Ich wusste, sie war sehr interessiert am Thema Engel, hatte sich zeitlebens damit befasst. Die Frau weinte, sagte, ‹ich will nicht sterben›. Da entgegnete ich ihr: ‹Warte einfach, bis deine Engel dich holen kommen›. Kurze Zeit später starb die Frau. Es war an einem 2. Oktober, dem Schutzengelfest.» 

Schwester Jolenda Elsener und Dr. Alois Birbaumer
Schwester Jolenda Elsener unterhält sich mit DeinAdieu-Beirat Dr. Alois Birbaumer über das Sterben im Hospiz. (Foto: Martin Schuppli)

Im Durchschnitt sind die sterbenden Menschen im St. Antonius Hospiz zwischen 50 und 60 Jahre alt. «Ich erinnere mich an eine 92jährige, die hier auf den Tod wartete. Sie war schon weit weg, nahe am Licht. Als sie noch kurz die Augen öffnete, sagte sie: ‹Das ist hier so schön, wie auf der Erde›. Dann atmete sie gelöst aus und ging endgültig.

Text und Fotos: Martin Schuppli

Hospiz St. Antonius
Hurdnerstrasse 104, 8640 Freienbach SZ
Tel. 055 415 50 84

Prospekte und Auskunft erhalten Sie telefonisch oder per E-Mail:
hospiz@st-antonius-hurden.ch

Mehr Infos im Internet: Hospiz St. Antonius

*St. Antonius Heim für 40 Behinderte
Im St. Antonius Heim leben rund 40 Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen wie eine grosse Familie zusammen. Ein Teil der Frauen und Männer sind durch Unfall oder Krankheit zur Einschränkung der selbständigen Lebensführung gekommen. Anderen ist ihre körperliche oder geistige Behinderung oder beides mit ins Leben gegeben worden. Rund 55 Mitarbeitende sorgen Tag und Nacht dafür, dass die behinderten Menschen ihren Alltag gut bewältigen können.

16 Antworten auf „Schwester Jolenda findet für Jeden erlösende Worte“

René Meier sagt:

Ein berührender Bericht, danke dem Chronisten und Schwester Jolenda!

Martin Schuppli sagt:

Der Chronist dankt René, seinem treuen Leser. Grizzlybärendrücker.

Mägy Lenherr sagt:

Schön das es diese Schwester gibt in der schlimmen Zeit

DeinAdieu sagt:

Ja. DeinAdieu wird regelmässig über solche Menschen berichten

Marisa Inäbnit sagt:

Sehr schöner Bericht

DeinAdieu sagt:

Danke Marisa Inäbnit. Frohe Ostern

Cornelia Steiner sagt:

So schön, zu wissen dass es diesen wunderbaren Ort gibt…

Martin Schuppli sagt:

Wir bemühen uns liebe Cornelia Steiner, regelmässig berührende und informative Beiträge zu bloggen.

KaThrin R. Rauchenstein sagt:

Danke für diesen berührenden Bericht! Ich war schon bei Sr. Jolenda, sie hat mich tief beeindruckt, so sieht für mich Nächstenliebe aus…jeder Mensch ist willkommen, egal welche Konfession oder Nationalität ❤️ ich bin dankbar, dass es das gibt! Wenn ich wählen kann am Ende, werde ich dahin gehen, Zimmer mit Sicht auf den Zürichsee und den Etzel meine Heimat?

DeinAdieu sagt:

Das freut uns liebe Katharina R. Rauchenstein. Auch der Autoren und sein Freund Alois Birbaumer waren tief beeindruckt.

Silvia Schmid sagt:

Schön, das es sowas gibt !❤️

DeinAdieu sagt:

Wir werden auch in Zukunft über besondere Orte und aussergewöhnliche Menschen berichten. Bleiben Sie also bitte eine treue Leserin liebe Silvia Schmid

Isabella Wespi sagt:

ein sehr tief berührender Bericht es ist sehr sehr schön und wichtig das es so tolle Menschen gibt wie die Baldegger-Schwestern ein ganz GROSSES Dankeschön ??

Marie-Therese Inderbitzin sagt:

Wunderbare Frau!!!

Isabella Arm-Ceccon sagt:

finde ich auch, sieht auch sehr positiv aus! Es gibt viele wunderbare Schwestern auf der Welt, ich habe auch unter solchen gelernt!

[…] Jolenda Elsener, Baldegger Schwester und Leiterin des Sterbehospiz in Hurden SZ sagte im März 2016 bei der Recherche zum Blog-Beitrag: «Es ist wichtig, dass ich mit meinen Gästen über den Tod rede. Oft planen wir den Abschied so, wie andere Leute eine Hochzeit.» […]

Kommentar verfassen