Gina Born, Bestatterin: «Der Aufbahrungsraum ist unser Schmuckstück»

Weil die Familie Born aufgebahrte Verstorbene auf dem Friedhof Olten nicht berühren konnte, gründeten sie 2014 ein Bestattungsunternehmen. Gina Born erzählt die Geschichte der jungen Firma.

Der Stillgewordene lag hinter Glas, weit weg, keine Chance den Gefühlen freien Lauf zu lassen. «Vom Mann meiner Grosstante und von meinem Opa konnten wir uns nur hinter einer grossen Glasscheibe verabschieden», sagt Gina Born. «Auf dem Friedhof in Olten gab es damals keine Möglichkeit, einem Verstorbenen nahe zu sein, ihn zu berühren. Das hat meine Mutter gestört. Und sie begann sich Gedanken zu machen, diesem ‹Missstand› abzuhelfen.»

Die Familie Born betreibt seit über 80 Jahren ein Reiseunternehmen, organisieren Ferienreisen im Car, Tagesausflüge, Konzertfahrten usw. Im Betrieb an der Aarauerstrasse 114 in Olten gab es genug Platz, einen stimmungsvollen Aufbahrungsraum einzurichten. «Und weil ein Aufbahrungsraum alleine keinen Sinn macht, gründeten wir 2014 ein Bestattungsunternehmen», erzählt die 27-Jährige.

Bestatterin Gina Born im Aufbahrungsraum
«Der Aufbahrungsraum ist nach wie vor ein zentraler Punkt unserer Philosophie. Angehörige erhalten einen Code und können Tag und Nacht ein- und ausgehen. Sie können den Raum schmücken und so persönlich einrichten, wie sie möchten», sagt Gina Born. (Foto: Daniela Friedli)

Praktikum bei einfühlsamen Bestatter

Dem Bau des Aufbahrungsraumes und der Gründung des Bestattungsunternehmens gingen umfangreiche Vorbereitungsarbeiten voraus. Die Borns befragten alle Nachbarn, wollten herausfinden, ob ein Bestattungsunternehmen im Quartier irgendjemandem Probleme bereiten würde. Das war nicht der Fall, und so machte sich das Trio an die Umsetzung. Gina Born erhielt die Möglichkeit, bei Ricco Biaggi ein Praktikum zu machen. Der Bestattungsunternehmer aus Frick AG gilt als einfühlsamer, erfahrener Berufsmann. «Ich lernte viel», sagt Gina Born. «Sowohl auf der beruflichen, wie auf der menschlichen Ebene.»

Bestatterluft konnte die junge Frau ebenfalls beim Bestattungs- und Friedhofamt der Stadt Zürich schnuppern. «Das war eine sehr lehrreiche Zeit», sagt Gina Born. «Danach engagierten wir einen ausgewiesenen Berufsmann. Sandro Güntert arbeitete ein Jahr lang bei uns und unterstützte uns beim Aufbau unseres Geschäfts.»

Eine der ersten Kundinnen war die Grosstante von Gina Born. Die alte Dame war entzückt, als sie den Raum sah und sagte stolz: «Ich glaube, ich werde die Erste sein, die hier aufgebahrt wird.» So war es. Immer mehr verlor sie von ihrem Leben. «Es war für mich ein ganz spezieller Moment, sie zu pflegen, einzukleiden und einzubetten», sagt Gina Born.

Verstorbene in privaten Kleidern bestatten

Das Einkleiden ist jeweils eine besondere Handlung. Fragen Angehörige die junge Frau, was sie den Verstorbenen anziehen sollen, rät die Bestatterin zu privaten Kleidern und Schuhen. «Sterbehemden werden selten gewünscht. Trotzdem haben wir sie. Die Hemden für Frauen sind mit Rüschchen verziert, die für Männer mit einer Fliege.»

Bestatterin Gina Born
Schiffe symbolisieren die letzte Reise. Sie bringen die Verstorbenen ans andere Ufer. „Auf der einen Seite winken Menschen zum Abschied, auf der anderen Seite winken sie zur Begrüssung“, sagt Gina Born. (Foto: Daniela Friedli)

Wichtig ist Gina Born die individuelle Betreuung der Trauernden. «Sie sollen genügend Zeit finden, Abschied zu nehmen. Dieser Prozess ist immer sehr individuell, da versuche ich, mit grösstmöglichem Einfühlungsvermögen für die Hinterbliebenen da zu sein.» Ihre Jugendlichkeit sei dabei kein Thema. Was zähle, sagt sie, sei das Wissen. «Meist sind Informationen gefragt. Ich kann sehr zurückhaltend sein und gut organisieren.»

Die Firma Born ist das jüngste Bestattungs-Unternehmen in Olten, wo übrigens TV-Bestatter Mike Müller aufgewachsen ist. «Insgesamt sind wir vier Firmen, die sich um Verstorbene und ihre Angehörigen kümmern», sagt Gina Born.

Bestatterin Gina Born: «Ich kann mich gut abgrenzen»

Wie geht die junge Frau damit um, wenn sie nach einem Personenunfall aufräumen muss? «Das sind spezielle Einsätze, und sie gehören zu meinen Aufgaben», sagt sie. Dann legt Gina Born eine kurze Pause ein. Sagt: «Klar stimmt es mich nachdenklich, wenn ich einen Menschen nach einem Suizid einbetten muss.»

Wenn es die Hinterbliebenen wünschen, werden die Stillgewordenen so hergerichtet, dass sie im Bestattungsunternehmen aufgebahrt werden können. «Der Aufbahrungsraum ist nach wie vor ein zentraler Punkt unserer Philosophie. Angehörige erhalten einen Code und können Tag und Nacht ein- und ausgehen. Sie können den Raum schmücken und so persönlich einrichten, wie sie möchten. Jemand blieb schon über Nacht und wachte beim Verstorbenen. Ebenfalls dürfen Haustiere Abschied nehmen. Wir erlebten schon sehr ergreifende Momenten.»

Bestatterin Gina Born
Gina Born erlebt das Einkleiden von Verstorbenen als besonderen Moment. „Sterbehemden werden selten gewünscht. Trotzdem haben wir sie. Die Hemden für Frauen sind mit Rüschchen verziert, die für Männer mit einer Fliege.“ (Foto: Daniela Friedli)

Bestatterin Gina Born: «Im Jenseits solls hell, warm und leicht sein»

Gabi, Gina und Samuel Born teilen sich die Bestatteraufgaben. «Jeder von uns kann alle Aufgaben abdecken», sagt Gina. «In der Regel führt Gabi die Gespräche mit den Angehörigen, Samuel kreiert die Trauerkarten, Inserate usw., und ich führe die Administration.»

Eine eigentliche Ausbildung zum Bestatter, zur Bestatterin gibts in der Schweiz nicht. Wer über mehrere Jahre Berufserfahrung verfügt, kann beim Schweiz. Verband der Bestattungsdienste SVB Vorbereitungskurse besuchen und dann die Eidg. Fachprüfung ablegen. «Bis anhin war es kein Thema, die Prüfung zu absolvieren. Aber eventuell wird es in den nächsten Jahren eins sein», sagt Gina Born.

Ob mit oder ohne eidgenössisch anerkannte Fachprüfung arbeitet Gina Born als Bestatterin. Wie reagieren da die Kollegen, die Kolleginnen. «Ganz normal», sagt junge Frau und lacht. «Sie stellen mir Fragen, wollen viel wissen.» Etwa, was nach dem Tod komme, macht der Autor ein Beispiel. «Das diskutierten wir natürlich ebenfalls. Niemand weiss, was kommt. Ich denke, irgendwie geht es weiter. Es kommt noch etwas.» Sie lächelt etwas und sagt dann: «Es kam ja noch keiner zurück. Und glaubt man den Menschen, die über so genannte Nahtoderfahrungen verfügen, soll es im Jenseits warm und hell sein, und man soll sich leicht fühlen.»

Der Seele Zeit lassen für die letzte Reise

Was denkt die Bestatterin, wenn ein spiritueller Sterbeforscher rät, Angehörige sollen mindestens drei Tage warten, bis sie Verstorbene kremieren lassen. Grund: Die Seele müsse Zeit haben, den Körper zu verlassen. Gina Born nickt. «48 Stunden muss man sowieso warten», sagt sie «und ich glaube schon daran, dass es für die Seele weitergeht. Deshalb bestärken wir unsere Kunden darin, sich Zeit zu lassen bis zur Kremation und zur anschliessenden Bestattung oder Beerdigung.»

«Haben Sie Angst vor dem Tod, Angst vor dem Sterben?», fragt der Autor. Gina Born schüttelt den Kopf. «Vor dem Sterben habe ich keine Angst.» Sie lässt die Worte wirken, sagt dann: «Respekt habe ich vor dem, wie es abläuft. Ich möchte, wie die meisten von uns, dereinst schmerzfrei sterben, im Rahmen der Familie.» Und wenn das bereits in einer Woche soweit ist? «Also das wäre dann schon etwas früh», sagt sie bestimmt.

Bestatterin Gina Born
Gina Born erzählt DeinAdieu-Autor Martin Schuppli wie sie Bestatterin wurde und was sie am Beruf fasziniert. (Foto: Daniela Friedli)

Zum Schluss: Was denkt Gina Born, kommt nach dem Tod? Was antwortet die Bestatterin und Reisefachfrau auf die Frage, wohin denn die letzte Reise führe? «Das weiss niemand. Ich stelle mir vor, die Leute stehen am Ufer und winken zum Abschied und auf der anderen Seite stehen die Leute ebenfalls am Ufer und winken zur Begrüssung.» Ein schönes, ein versöhnliches Bild. Es zaubert dem Zuhörer ein Lächeln auf die Lippen.

Text: Martin Schuppli, Fotos: Daniela Friedli

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