Wohnsitz im Ausland: Welches Recht regelt die Erbschaft?

Die Welt rückt immer enger zusammen, und viele Schweizerinnen und Schweizer lassen sich im Ausland nieder. Welche Behörde bei einem Todesfall für den Nachlass zuständig ist, hängt vom Wohnsitz, der Staatsangehörigkeit oder dem Willen des Erblassers ab.

Welche Behörde ist zuständig?

Die Zuständigkeit der Behörden oder Gerichte bestimmt sich je nach dem Verhältnis der betroffenen Staaten: In Europa geht das Lugano-Übereinkommen (kurz: LugÜ) als multilaterales Völkerrecht dem IPRG vor. Es regelt Zuständigkeiten und erleichtert die Anerkennung von Urteilen oder Entscheiden. Das IPRG gilt für alle internationalen Sachverhalte mit Bezug zur Schweiz.

In der Regel liegt die Zuständigkeit in der Schweiz und der EU bei den Behörden am letzten Wohnsitz des Erblassers, wenn nichts anderes bestimmt ist. Sie sind zuständig für:

  • das Nachlassverfahren (die Aktiven liquidieren, Schulden bezahlen und Überschuss an die Erben verteilen)
  • erbrechtliche Streitigkeiten (bspw. Herabsetzungs– und Ungültigkeitsklage)

Schweizer Bürger können allerdings ihren Nachlass mittels Testament oder Erbvertrag ganz oder teilweise den Behörden ihres Heimatortes unterstellen. Hatte der Erblasser ein Grundstück im Ausland, so kann es sein, dass dieser Staat für das Grundstück zuständig ist.

Was tun, wenn sich das Gericht im Ausland als nicht zuständig erachtet?

Befindet sich ein Gericht im Ausland in einer Erbsache für nicht zuständig, so wird es für gewöhnlich auf den Fall nicht eintreten und auch nicht auf die gehörige Zuständigkeit hinweisen. Es ist daher von fundamentaler Bedeutung, sich in einem ersten Schritt Klarheit über die internationale (welches Land?), örtliche (Lage des Gerichts im Staat?) und sachliche Zuständigkeit (fachliche Eignung des Gerichts?) zu verschaffen. Wenn sich die Behörde am ausländischen Wohnsitz des Erblassers nicht um dessen Nachlass kümmert, so ist das schweizerische Gericht oder die Behörde am Heimatort des Erblassers zuständig.

Die Gerichte und Behörden in der Schweiz sind auch dann zuständig, wenn in der Schweiz Vermögenswerte eines Ausländers mit Wohnsitz im Ausland liegen, aber die ausländische Behörde nicht tätig wird.

Welches ist das anwendbare Recht?

Entscheidend ist der letzte Wohnsitz des Erblassers/der Erblasserin

Welches nationale Erbrecht haben aber nun die Behörden anzuwenden, die das Nachlassverfahren abwickeln? War der letzte Wohnsitz einer Person in der Schweiz, so ist das Recht des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs zu beachten. Hat der Wohnsitz im Zeitpunkt des Ablebens allerdings im Ausland gelegen, so ist das anwendbare Recht gemäss dem ausländischen IPRG anwendbar. Auch für Auslandsschweizer ist eine Rechtswahl zugunsten der Schweiz möglich.

Das Recht, welches schliesslich in einem bestimmten Fall anwendbar ist, entscheidet beispielsweise über diese Fragen:

  • welche Vermögenswerte zum Nachlass zählen
  • die Beteiligungsanteile der Erben
  • ob Pflichtteile eingehalten werden müssen und wie hoch diese sind
  • welche Personen die Haftung für den Nachlass trifft
  • die zulässigen Klagen und andere Massnahmen

Da es sich bei diesen Punkten um grundlegende Regelungen handelt, ist es wichtig, sich früh genug mit der Frage zu befassen, welches Recht für den eigenen Nachlass anwendbar sein soll.

Ein Beispiel zur Illustration

Die Schweizerin Heidi ist 2011 an ihrem letzten Wohnsitz in Frankfurt ohne gültige Rechtswahl verstorben. Das damalige internationale Privatrecht Deutschlands stellte auf die Herkunft (Staatsangehörigkeit) der Erblasserin ab. Damit verwies es zurück auf das schweizerische Erbrecht, das von den deutschen Behörden anzuwenden war. Heute wäre entsprechend der aktuellen EU-Verordnung Nr. 650/2012 vom 4. Juli 2012 das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsstaats massgeblich, also das Deutsche.

Gewisse Sonderregelungen gelten für die internationale Verfügungsfähigkeit, die Formgültigkeit letztwilliger Verfügungen sowie für Erbverträge u.ä.

Wie läuft die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen ab?

Innerhalb Europas gilt mit den entsprechenden EU-Verordnungen bzw. dem LugÜ ein Übernahmeregime. Das bedeutet, dass die Entscheide anderer Partnerstaaten dieser Übereinkommen anerkannt werden und mithin rechtliche Wirkung entfalten. Dafür muss Ihr ausländisches Urteil für die Anerkennung kein besonderes Verfahren durchlaufen. Es werden lediglich besondere Anforderungen überprüft, nie aber die inhaltliche Richtigkeit sowie die Zuständigkeit der verfügenden Behörde selbst.

Im selben Verfahren wird auch die Vollstreckbarkeit des Entscheides erklärt. Mit dieser Erklärung ist der Entscheid im Staat, in dem er anerkannt wurde, mittels staatlichem Zwang durchsetzbar.

Wie kann ich ein ausländisches Urteil in der Schweiz durchsetzen?

Im Kanton Zürich sind beispielsweise die Konkurs- und Betreibungsämter für die Zwangsvollstreckung von Zivilsachen zuständig. Wenn Sie also eine Forderung in der Schweiz durchsetzen wollen, für die Sie bereits ein ausländisches Urteil haben, so können Sie beim Betreibungsamt ein Betreibungsbegehren gegen den Schuldner einreichen. Der Schuldner ist dabei die Person, welche Ihnen die Forderung schuldet. Hier können Sie das zuständige Betreibungsamt finden. Hat der Schuldner gegen Ihr Betreibungsbegehren einen Rechtsvorschlag erhoben, so können Sie mit dem ausländischen Zivilurteil als definitivem Rechtsöffnungstitel den Rechtsvorschlag beseitigen. Danach muss der Schuldner Ihnen Ihre Forderung begleichen.

Darauf sollten Sie achten

  • Haben Sie die schweizerische Staatsbürgerschaft, so können Sie letztwillig verfügen, welche Behörde für Ihren Nachlass zuständig sein soll. Dies können Sie in einem Testament oder Erbvertrag tun. Hier finden Sie Vorlagen dazu.
  • Sollte Ihr Fall viele ausländische Bezüge aufweisen, so ist es am einfachsten, das Problem mit einem Juristen von unserem Dienstleistungscenter zu besprechen.
  • Konnten Sie die rechtliche Lage Ihrer Vermögensverhältnisse mit Auslandbezügen klären, macht es allenfalls Sinn, gewisse Vermögenswerte zu verschieben, um von güter-, erb- oder steuerrechtlichen Vorteilen zu profitieren.

Die beiden wichtigsten Erlasse im schweizerischen Erbrecht mit internationalem Bezug sind das Lugano-Übereinkommen sowie das IPRG. Diese Regeln die Frage nach den zuständigen Behörden, dem anwendbaren Recht sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheiden anderer Staaten. Da sich internationale Sachverhalte häufig sehr komplex darstellen und auch dieser Text nur Grundlagen vermitteln kann, sei an dieser Stelle eine professionelle Beratung mit Fokus auf alle geltenden Rechtsordnungen besonders angeraten.

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