Freizügigkeitskonto und Freizügigkeitsguthaben

Freizügigkeitsleistungen bilden einen Teil der zweiten Säule. Diese können bei Stellenwechsel «mitgenommen» oder auf einem Freizügigkeitskonto deponiert werden. Grundsätzlich ist ein Bezug vor der Pensionierung nicht möglich. Es gibt jedoch Ausnahmen.

Rolle der Freizügigkeit bei der Altersvorsorge

Die Freizügigkeitsleistung stellt einen Teil der zweiten Säule (berufliche Vorsorge) des schweizerischen Pensionssystems dar und ist im Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) geregelt.

Alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die in der Schweiz einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehen sammeln ein sogenanntes Altersguthaben an. Diese werden in eine vom Arbeitgeber selbst betriebene oder ausgewählte Pensionskasse, Versicherung oder autonome Sammelstiftung einbezahlt. Wer als Arbeitgeber unselbstständig Erwerbstätige beschäftigt, ist verpflichtet, sich im Einverständnis mit der Arbeitnehmerschaft einer kantonal registrierten Vorsorgeeinrichtung anzuschliessen oder selbst eine solche zu errichten. Die obligatorische Versicherung gilt ab der Eintrittsschwelle von CHF 21’330 Jahreslohn (alle Angaben per Stand 2019).

Beiträge sind für den koordinierten Jahreslohn zu bezahlen. Das ist der Teil des jährlichen Lohnes, der zwischen CHF 24‘885 und CHF 85‘320 liegt. Koordiniert wird er deshalb genannt, weil er mit den gesetzlichen Vorgaben für die erste Säule (AHV/IV) abgestimmt ist, sodass diese Regelungen rechnerisch ineinander greifen. Der versicherte Jahreslohn beträgt mindestens CHF 3‘555 (Versicherter Minimallohn CHF 24‘885 – Eintrittsschwelle CHF 21‘330), nötigenfalls ist auf diesen Betrag aufzurunden.

Mindestens die Hälfte der Beiträge sind vom Arbeitgeber zu entrichten. Von den einbezahlten Beiträgen wird ein Teil zur Deckung von Risiken und Verwaltungskosten abgezogen. Der Rest wird als Sparbeitrag der Altersgutschrift hinzugefügt. Der jährlich gutgeschriebene Prozentsatz des koordinierten Lohnes hängt vom Alter des Versicherten ab:

AltersjahrAnsatz in Prozenten des koordinierten Lohnes
17-24Nur Tod/Invalidität, keine Altersgutschrift
25-347%
35-4410%
45-5415%
55-6518%

Die so akkumulierten und verzinsten Altersgutschriften aus dem BVG-Obligatorium werden bei Erreichen des Rentenantrittsalters (Männer: 65, Frauen: 64) zu einem gesetzlich festgelegten Mindestumwandlungssatz in Form monatlicher Altersrenten ausbezahlt. Derzeit beträgt der jährliche Mindestzins 1 Prozent, der Mindestumwandlungssatz 6.8 Prozent des Altersguthabens. Bei vorzeitiger Pensionierung müssen Sie entsprechende Abschläge in Kauf nehmen.

Selbstständig Erwerbstätige sind im Normalfall nicht von Gesetzes wegen versichert. Sie können sich aber freiwillig einer Pensionskasse oder einer Sammelstiftung anschliessen, bspw. bei der ihres Berufs- oder Branchenverbandes. Ein Anschluss und nachträglicher Einkauf kann aus steuerlichen Gründen empfehlenswert sein, da die zweite vielfach gegenüber der dritten Säule privilegiert ist.

Zudem ist es den Vorsorgeeinrichtungen freigestellt, über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus Leistungen anzubieten. Dabei handelt es sich vor allem um die Versicherung des Lohnanteils, der die gesetzliche Obergrenze von CHF 85‘320 übersteigt. Solche Angebote werden überobligatorische Leistungen genannt und unterliegen nicht den Mindestzinsen und -umwandlungssätzen des BVG und den zugehörigen Verordnungen. Deshalb können Verzinsung und Umwandlungssätze, je nach Vorsorgeeinrichtung, bei überobligatorischen Leistungen niedriger sein als bei jenen der obligatorischen Versicherung. Ob die Mindestanforderungen nach den Parametern des BVG erfüllt sind, kann mit einer sogenannten «Schattenrechnung» nachvollzogen werden.

Wieso spricht man von «Freizügigkeit»?

Der nicht selbsterklärende Begriff «Freizügigkeitsguthaben» stammt daher, dass ein Wechsel des Arbeitgebers (und der Vorsorgeeinrichtung) das einmal angesparte Altersguthaben nicht mindern soll. Dieses besteht aus einbezahlten Beiträgen, freiwilligen Einkäufen sowie den laufenden Zinsen. Geben Sie eine Stelle auf, so treten Sie automatisch auch aus der Pensionskasse des Arbeitgebers aus. Das Altersguthaben «zieht» jedoch «mit». Sie haben nach dem Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (FZG) Anspruch auf eine Austrittsleistung, die Sie bei der Aufgabe Ihrer letzten Anstellung aus der Pensionskasse des alten Arbeitgebers mitnehmen können. Aber wohin?

Falls Sie unmittelbar eine neue Stelle antreten, können Sie das Guthaben direkt von der alten an die neue Pensionskasse überweisen lassen. Haben Sie allerdings das Rentenalter noch nicht erreicht und treten Sie nicht unmittelbar einer neuen Vorsorgeeinrichtung bei, können Sie im Normalfall nicht «frei» über Ihre Freizügigkeitsleistung verfügen. Diese soll zur Absicherung Ihrer Altersrente zur Verfügung stehen und daher nicht vorzeitig aufgebraucht werden.

Auch hier gibt es allerdings Ausnahmen: Unter bestimmten Umständen können Sie das Altersguthaben auszahlen lassen. Die wichtigsten Fälle sind die Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit (da dann das BVG-Obligatorium erlischt), die Auswanderung aus der Schweiz (nur überobligatorisches Guthaben in EU/EFTA-Ländern, in Drittstaaten auch das Obligatorium) und der Bezug zum Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum.

Damit das Guthaben ansonsten im Vorsorgekreislauf bleibt, kann es entweder auf einem Freizügigkeitskonto einer Bankstiftung deponiert oder in einer Freizügigkeitspolice einer Versicherung angelegt werden. Für diese ist kein gesetzlicher Mindestzins vorgeschrieben, weshalb die Verzinsung in der Regel niedriger ist als bei den Vorsorgeeinrichtungen. Da es sich aber um längerfristige Einlagen handelt, sind die Zinsen normalerweise höher als bei einem gewöhnlichen Bankkonto (Sichteinlage).

Freizügigkeitskonten werden, je nach Einrichtung, auf Antrag oder automatisch mit Eingang des Geldes eröffnet. Die Eröffnung und Kontoführung selbst ist gebührenfrei. Die Bankstiftungen bzw. Versicherungen verwalten das Altersguthaben, das der Inhaber des Freizügigkeitskontos bzw. der Police bis zum Erreichen des Rentenalters nicht in bar beziehen darf. Auf diese Art angelegte Altersguthaben sind «Freizügigkeitsguthaben» im eigentlichen Sinne.

Falls Sie nicht innerhalb einer gewissen Zeit (6–24 Monate) nach Austritt aus der letzten Pensionskasse selbst tätig werden und sich einer neuen anschliessen oder das Geld bei einer Freizügigkeitseinrichtung Ihrer Wahl hinterlegen, wird das Altersguthaben automatisch bei der nationalen Stiftung Auffangeinrichtung BVG deponiert. Diese nimmt als subsidiäre Pensionskasse im Auftrag des Bundes alle Anschlusswilligen Personen auf, um ein Sicherheitsnetz für die zweite Säule zu schaffen. Da die Stiftung Auffangeinrichtung BVG aber naturgemäss sehr defensiv anlegt, ist es ratsam, sich rechtzeitig über günstigere, besser verzinste Alternativangebote zu informieren.

Freizügigkeitsguthaben im Todesfall

Es macht einen Unterschied, ob der Versicherte im Zeitpunkt seines Ablebens einer Vorsorgeeinrichtung angeschlossen ist oder sein Freizügigkeitsguthaben bei einer Bankstiftung bzw. Versicherung deponiert hat.

Die Vorsorgeleistungen der Pensionskassen hängen in der Regel von der Höhe des Altersguthabens ab (Invalidenrente, Invalidenkinderrente, Altersrente, Alterskapital, Ehegattenrente/Witwerrente/Witwenrente, Ehegattenabfindung, Waisenrente sowie allenfalls weitere, durch das Pensionskassenreglement vorgesehene). Im Ablebensfall kann eine Witwer- bzw. Witwenrente von 60% der vollen Altersrente ausbezahlt werden, sofern die anspruchsberechtigte Person für den Unterhalt von Kindern aufkommt oder das 45. Lebensjahr zurückgelegt und die Ehe zumindest fünf Jahre gedauert hat (für Geschiedene: 10 Jahre und Unterhaltspflicht). Für Kinder des Verstorbenen besteht bis maximal zum 25. Altersjahr Anspruch auf eine Waisenrente in Höhe von 20% der vollen Altersrente.

Anders bei Freizügigkeitskonten bzw. Freizügigkeitspolicen: Es gilt für das auf den Vorsorgeinstrumenten parkierte Alterskapital die Begünstigungsordnung von Art. 2 BVV 3.

Was bedeutet das für die Inhaber von Freizügigkeitskonten?

Wenn Sie planen, Ihre Freizügigkeitsleistung über längere Zeit bei einer Bankstiftung bzw. Versicherung zu belassen, sollten Sie diese schriftlich darüber in Kenntnis setzen, was im Fall Ihres Ablebens mit dem Guthaben geschehen soll (bzw. an wen es ausgezahlt werden soll) und sich die Kenntnisnahme bestätigen lassen. Manche Stiftungen akzeptieren zwar die testamentarische Begünstigung, sofern dort die Freizügigkeitsleistung explizit Erwähnung findet. Dies ist aber keineswegs garantiert und eher Kulanz von Seiten der Einrichtung. Ohne gültige Begünstigtenerklärung wird das Freizügigkeitskapital normalerweise gemäss der obengenannten Reihenfolge ausbezahlt, was nicht immer die optimale Lösung darstellt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Freizügigkeitsleistungen bilden einen Teil der zweiten Säule der schweizerischen Altersvorsorge. Arbeitnehmer sind nach BVG in einem Lohnbereich zwischen CHF 24’885 und CHF 85’320 (sog. koordinierter Jahreslohn) obligatorisch versichert. Vorgegeben sind auch die Altersgutschriften in Abhängigkeit vom Alter des Versicherten, die Mindestverzinsung sowie die Höhe des Umwandlungssatzes (vom Guthaben in Renten). Darüber hinaus sind die Angebote der Vorsorgeeinrichtungen frei (sog. Überobligatorium).
  • Treten Sie aus einer Pensionskasse aus, so können Sie das angesparte Altersguthaben in Form einer Austritts- oder Freizügigkeitsleistung entweder direkt zur Einrichtung des neuen Arbeitgebers mitnehmen oder auf einem Freizügigkeitskonto parkieren. Bis auf wenige Ausnahmen (Selbstständigkeit, Auswanderung, Wohnförderung) kann das Freizügigkeitsguthaben nicht vor Erreichen des Rentenalters bezogen werden.
  • Verstirbt der Inhaber eines Freizügigkeitskontos, so ist eine gesetzliche Begünstigtenordnung vorgegeben, die aber durch Erklärung gegenüber der Freizügigkeitseinrichtung modifizierbar ist. Bei längerem Verbleib sollten Änderungswünsche also gegenüber der Bankstiftung bzw. Versicherung bekanntgegeben werden.

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