Krebstherapie: Es braucht Mut, sich dagegen zu entscheiden

«Hoffnung gehört zum Menschsein», sagt Dr. Ina Bujard. «Und Optimismus liegt jedem Handeln zu Grunde.» Im Zusammenhang mit Entscheiden für die letzte Lebensphase ist deshalb besonders wichtig, zu wissen: Was ist unser Ziel. Darüber sollten wir frühzeitig reden.

«Palliative Care als Haltung zum Lebensende.» Die Affiche machte mich neugierig. Sie kündigte einen Vortrag an von Dr. med. Ina Bujard, 46, Palliativmedizinerin im Spital Walenstadt. Cool, dachte ich mir, eine Fachfrau im Heimspital. So lernten wir uns kennen. Merkten, beide sind wir Mitglieder in der Hospizgruppe Sarganserland. Im Schwatzgeschäft diskutierten wir über den Optimismus, über Hoffnung in der Krebsbehandlung.

Ina Bujard arbeitet als Oberärztin für Palliativmedizin im Spital Walenstadt und betreut die Palliative Sprechstunde bei «rundum Onkologie» in Sargans SG. Mit der Ärztin redete ich über Leben und Sterben. Über Krebs und Palliativmedizin. Über Optimismus und Realität. Gefragt, warum sie mit einem Master of Science in Palliative Care abgeschlossen habe, sagt sie: «Meine Berufung hat mich gefunden.»

Ina Bujard im Gespräch mit Ina Bujard
Interview im Schwatzgeschäft: Ina Bujard im Gespräch mit DeinAdieu-Autor Martin Schuppli. (Foto: Eddy Risch)

Auf der Palliativstation die Berufung gefunden

Die Berufung verbindet. Darum wollte ich die gebürtige Deutsche kennenlernen. Ina Bujard kam 1974 im Sternzeichen der Waage zur Welt, wuchs mit Bruder im mittelfränkischen Dinkelsbühl auf, sowie in Heilbronn, Denver, Baden-Baden und Montreal. Ihr Vater arbeitete als Nieren-Facharzt, die Mutter als Lehrerin. 1994 bestand Ina Bujard ihr Abitur und begann, Medizin zu studieren.

13 Jahre später, als ausgebildete Fachärztin Anästhesie, zügelte sie in die Schweiz zu ihrem Mann, ebenfalls ein Anästhesie-Arzt. In der Region suchte die Ärztin eine Spitalstelle. «Aber nicht lange», sagt Ina Bujard. «Ich war schwanger. Mit einem und später zwei kleinen Kindern erschien es mir nicht vernünftig, wenn beide Eltern im Schichtdienst eingebunden sind.»

Rückblickend gesehen, merkte die junge Ärztin nach einiger Zeit als «nur» Mutter, «das ist nicht das Richtige für mich». Und die Anästhesie war es ebenfalls nicht. Im Gegensatz zur Palliativmedizin. Ina Bujard: «Da war immer etwas, das ich interessant und wichtig fand. Zufällig suchte die Abteilung für Radio-Onkologie am Kantonsspital Graubünden händeringend Assistenzärzte.» Das könnte ein guter Quereinstieg sein, dachte sie. «Für mich eröffnete sich eine völlig andere Perspektive auf die Medizin. Im Gegensatz zur Anästhesie, wo man sich sehr an objektiven Messgrössen orientiert, ging es nun auf einmal um ganz andere Massstäbe. Um den Menschen mit seinen individuellen Lebensumständen, mit seinen Zielen und Werten. Mein grosses Glück: Ich fand gleich zu Beginn einige Kollegen, die mich sehr unterstützten. Etwa Ulrich Ulmer und Daniel Zwahlen von der Radio-Onkologie am Kantonsspital Chur oder Stefan Greuter, der inzwischen mit rundum Onkologie in Sargans eröffnet hat.

Dr. med. Ina Bujard, Oberärztin am Spital Walenstadt
Ina Bujard: «Gut möglich, nehmen wir diesen menschgegebenen Optimismus deutlicher wahr im Zusammenhang mit Krankheit, Sterben und Tod.» (Foto: Eddy Risch)

Jedem Handeln liegt Optimismus zugrunde

Zeitgleich mit dem Arbeitsbeginn auf der Radio-Onkologie im Spital Chur erkrankte eine nahe Angehörige von Ina Bujard an einem Pankreas-Karzinom, einem Bauchspeicheldrüsenkrebs. Das war vor gut zehn Jahren in Heidelberg. Die Patientin habe eine palliative Chemotherapie erhalten, auf die sie zunächst gut angesprochen habe. Nach einiger Zeit sei der Krebs wieder aufgeflammt, die Erkrankung habe ihren Verlauf genommen, sagt Ina Bujard. «Ich habe so hautnah und aus einer anderen Perspektive erfahren, was Palliativmedizin leisten kann. Das heisst: Symptomkontrolle während der Chemotherapie, menschliche Begleitung der Kranken und ihres Mannes, Vorausplanung der letzten Lebensphase sowie der Rund-um-die-Uhr-Unterstützung zu Hause. Ihr Wunsch war, dort sterben zu können. Und den konnten die Kollegen ihr erfüllen.» Die Ärztin hält inne. Schaut mich an. Sagt: «Das hat mich extrem beeindruckt und letztlich meinen Entschluss gefestigt, diesen Weg weiterzugehen.»

Von 2011 bis 2013 machte Ina Bujard ein berufsbegleitendes Studium, mit dem sie einen Master of Science MSc in Palliative Care erwarb. Und wieder passte vieles zusammen: Ein Jahr später gründete Dr. Stefan Greuter seine rundum Onkologiepraxis in Sargans. Er fragte die Kollegin, ob sie eine palliative Sprechstunde anbieten wolle. Da der Onkologe zudem als Belegarzt im Spital Walenstadt tätig ist, fand Ina Bujard so zur dortigen Palliativstation.

Jedem Handeln liegt Optimismus zugrunde

Die Themen Tod und Sterben hätten sie schon früher beschäftigt, sagt die Palliativmedizinerin. «Zu Beginn des Medizinstudiums habe ich mich gefragt, warum Sterben und Tod Tabuthemen sind, wo sie doch ausnahmslos jeden betreffen. Es erschien mir viel logischer, bewusst hinzusehen und mich dieser Tatsache zu stellen, als im dunklen Wald zu pfeifen.» Sie lacht. «Den Begriff Palliative Care kannte ich damals, vor 25 Jahren, noch nicht.»

Die zuversichtliche, fröhliche Art der Palliativmedizinerin passt zu meiner nächsten Frage. «Ina Bujard: Sind es Optimisten, die Krebskranke betreuen, behandeln, begleiten?» Ina Bujards Antwort ist wohlüberlegt: «Liegt nicht jedem menschlichen Handeln Optimismus zugrunde?», fragt sie mich. «Ich meine, bezogen darauf, dass die Handlung gut ausgeht und/oder zum angestrebten Ergebnis führt?» Sie schweigt kurz. «Wärs nicht so, würde, beispielsweise, niemand in ein Flugzeug steigen.» Sie denke, in der Onkologie sei das nicht anderes, ebenso nicht in der Palliativmedizin oder in anderen Lebensbereichen. «Gut möglich, nehmen wir diesen menschgegebenen Optimismus deutlicher wahr im Zusammenhang mit Krankheit, Sterben und Tod.»

Die Onkologie sei ein sehr wissenschaftlich orientiertes Fach, erklärt mir Ina Bujard und betont, sie sei keine Onkologin, beobachte das Geschehen zwar aus der Nähe, aber von aussen. «Für die meisten Tumor-Erkrankungen gibt es – zumindest in der ersten und zweiten Linie – Behandlungsstandards. Diese werden aufgrund von Studien und Statistiken erarbeitet. Sie unterliegen ständigen Modifikationen und Wechseln. Unter anderem wegen der Entwicklung neuer Medikamente. Durch diese Statistiken kennen wir die Ansprechrate eines Medikamentes in einer bestimmten Krankheitssituation, ebenso wie das mittlere Überleben in einem bestimmten Tumorstadium.»

Wir würden die mittlere Heilungsrate und so weiter kennen, sagt Ina Bujard. Das sei die rationale und sehr realistische Sichtweise, die bis dahin von Optimismus unabhängig wäre. Der Optimismus komme erst dann ins Spiel, wenn sie mit jedem Patienten, jeder Patientin gemeinsam hoffen würden, er/sie möge zu denen gehören, die tatsächlich ansprechen und/oder die Therapie gut vertragen würden.

Dr. med. Ina Bujard, Oberärztin am Spital Walenstadt
Weils um Leben und Tod gehe, sagt Ina Bujard, sei die Beziehung zwischen Onkologen und Patienten mit der Zeit häufig sehr vertraut. (Foto: Eddy Risch)

«Wir schüren keine unrealistischen Erwartungen»

«Der Optimismus kommt erst in der Begegnung zwischen Ärztin und Patient als menschliche Komponente hinzu. Das bedeutet natürlich nicht, wir schürten bei den Menschen unrealistische Erwartungen, im Sinne von ‹alles wird gut›. Aber eben, wir gehen für die gegebene Situation von der bestmöglichen Entwicklung aus und versuchen, dem Patienten mit dieser Haltung zu begegnen.» Gleichzeitig würden sie ebenso die Möglichkeit anschauen, dass es anders kommen könnte. Damit wollten sie dem Patienten versichern, wir lassen sie nicht im Stich. «Wir zeigen, es gibt noch Behandlungsmöglichkeiten mit einer anderen Zielsetzung. An dieser Stelle komme dann ich als Palliativmedizinerin ins Spiel.»

Eine Krebstherapie sei eine intensive Zeit. Sie könne mit einer Heilung enden oder mit dem Tod. Ina Bujard: «Die Beziehung zwischen Onkologen und Patienten ist deshalb mit der Zeit häufig sehr vertraut. Ich denke, es ist eine menschliche Grundhaltung, in dieser Situation einem anderen Menschen gegenüber Optimismus auszustrahlen, ihm die Daumen zu drücken, mit ihm und für ihn zu hoffen, er solle zu denen gehören, die gut ansprechen auf die Therapie, nicht unter Nebenwirkungen leiden, länger überleben oder gar geheilt werden. Unabhängig von der Arzt-Patienten-Beziehung wünschen wir doch unseren Mitmenschen, mit denen wir vertraut sind, in der Regel Gutes. Was das betrifft, glaube ich an das Gute in den meisten Menschen, Onkologen oder nicht.»

Sie lacht: «Ich denke, dieser Optimismus ist ebenso Hoffnung. Hoffnung, die aus dem Menschsein kommt und erst einmal nichts mit dem Beruf zu tun hat.» Hüten müssten sich Ärztinnen, Ärzte vor Zweck-Optimismus. Der könne innerhalb oben erwähnter Beziehung entstehen, wenn klar werde: Es gibt keine Hoffnung mehr auf Heilung. Eine weitere Therapie werde nicht ansprechen. Das Leben gehe zu Ende. «An dieser Stelle sind wir alle als Menschen anfällig, etwas zu verdrängen. Sind anfällig, den Optimismus ohne realistischen Bezug aufrecht zu erhalten. Das geschieht wohl in den meisten Fällen unbewusst. Wir leiden zu sehr mit, können es nicht aushalten, fürchten uns vor dem Scheitern.» Ina Bujard schaut mir in die Augen. Sagt: «Ich glaube aber, das ist kein Onkologen-typisches Verhalten, sondern eben ein sehr menschliches.»

Dr. med. Ina Bujard, Oberärztin am Spital Walenstadt
«Ich würde in der jetzigen Lebenssituation einiges in Kauf nehmen, um eine möglichst lange Zeit mit meinen Kindern verbringen zu können», sagt Ina Bujard. (Foto: Eddy Risch)

Chemotherapie: Wer will was ertragen?

Hoffnung in der Palliative Care ist ein Thema, mit dem sich Ina Bujard intensiv auseinandergesetzt hat. Es gehe ja in der Palliative Care, oder eigentlich in der Behandlung unheilbarer Erkrankungen allgemein, darum, Hoffnung aufrecht zu erhalten. «Wir versuchen zusammen mit dem, mit der Betroffenen Hoffnung neu zu generieren, indem wir beispielsweise ihre Richtung, ihr Ziel oder ihren Inhalt modifizieren. Statt auf das Überleben, kann jemand beispielsweise darauf hoffen, die letzte Zeit gut verbringen zu können, noch einmal die Tochter aus Neuseeland zu sehen, die Geburt des Enkelkindes zu erleben

Die Grenzen der Chemotherapie waren ebenso Gesprächsthema. Dr. Ina Bujard beurteilt diese aus palliativer Sicht. Sie sagt, hier sei es klar eine Frage der Zielsetzung und der Belastung, die mit einer Therapie einhergehe. «Häufig geht es ja um eine Verlängerung des Lebens, auch wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist. Dann stellt sich die Frage, wie wichtig ist dem Patienten, der Patientin die Lebensverlängerung, und welche Nebenwirkungen ist er/sie bereit, dafür in Kauf zu nehmen. Das ist sehr individuell. Ich weiss von einer Patientin, die alle Nebenwirkungen auf sich genommen hat, um die Geburt ihres Enkelkindes zu erleben. Kaum war es auf der Welt, ist sie nicht mehr zur Therapie gekommen und kurze Zeit später gestorben.» Ina Bujard legt eine Pause ein. Sagt dann: «Ich würde in meiner jetzigen Lebenssituation einiges in Kauf nehmen, um eine möglichst lange Zeit mit meinen Kindern verbringen zu können. In 15 oder 20 Jahren werde ich das vielleicht anders sehen.»

Krebstherapie: Es wird schon klappen

Eine Grenze, die schwer zu ziehen sei, betreffe den Zustand des Patienten, der Patientin. Die Ärztin: «Wir wissen, ab einer gewissen Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit bzw. des allgemeinen Gesundheitszustandes schadet eine Chemotherapie mehr, als sie nützt. An diesem Punkt ist eine Grenze erreicht, die wir alle – Patientinnen wie Ärzte – akzeptieren müssen.»

Ich möchte wissen, wie Patientinnen, Patienten damit umgehen, wenn sie das Behandlungskonzept kennen, wenn sie Chancen und Risiken abwägen müssen. Ina Bujard nickt. Sagt, sie sei sich nicht sicher, ob viele Menschen rational Chancen und Risiken abwägen könnten, wenn es um das eigene Überleben gehe. «Ich glaube, wir überfordern die Menschen damit in vielen Fällen.» Ebenso komme hier wieder der Optimismus, die Hoffnung ins Spiel. Ein Prinzip, das den meisten Menschen innewohne. Wir sagten, es werd schon klappen, so schlimm würden die Nebenwirkungen wohl nicht sein, ich gehörte zu den zehn Prozent, die das überleben. «Und schliesslich haben viele aus ihrer Sicht keine Wahl. Sich gegen eine Therapie zu entscheiden, fühlt sich an, wie die Hoffnung aufgeben. Das zu tun, braucht im ersten Moment viel Mut und Widerstandskraft, denn die Entscheidung gegen eine Therapie muss man als Patient, als Patientin viel vehementer rechtfertigen – sogar, wenn sie gut begründet ist. Den Angehörigen gegenüber ebenso wie dem Arzt, dem Behandlungsteam.»

Dr. med. Ina Bujard, Oberärztin am Spital Walenstadt
Ina Bujard: «Was jemandem im Leben wichtig ist, lässt sich oft nicht einfach auf Nachfrage in Worte fassen.» (Foto: Eddy Risch)

Wissen, warum man gerne lebt

Ich messe der Werteanamnese grosse Bedeutung zu. Erstellt in gesunden Tagen, überarbeitet im frühen Stadium der Krankheit. Aus ihr geht hervor, was mein Ziel ist, was das Ziel eines Urteilsunfähigen ist. Ina Bujard pflichtet mir bei. «Das ist so. Wem bewusst ist, ob er gerne lebt oder unter welchen Bedingungen er eben nicht mehr gerne leben würde, kann andere Entscheidungen treffen in Bezug auf Therapien oder Therapie-Abbruch. Zumindest würden sie leichter fallen.» Andererseits seien diese Überlegungen im Zustand völliger Gesundheit und Unversehrtheit sehr hypothetisch, sagt die Palliativmedizinerin. Wir würden es uns als Gesunde kaum vorstellen können, wie es sich anfühlt und wie sehr oder wenig man in bestimmten Momenten am Leben hängt. Ina Bujard: «Wie eine gute Kollegin es einmal ausdrückte, als sie eine Vorsorgevollmacht vor einem Aneurysma-Clipping ausfüllen musste: ‹Um den eigenen Arsch bläst der Wind eisiger.›»

Als engagierte Ärztin, findet es Ina Bujard sehr wichtig, nicht nur zu wissen, woran ihr Patient, ihre Patientin leidet, sondern ebenso, wer der Mensch ist. Und damit zu wissen, was ihm, was ihr wichtig ist im ganz persönlichen Leben. Bei den Patienten, die sie lange begleite, ergebe sich das meist von selbst. Dieses Wissen sei ein wichtiger Punkt bei der Abwägung von Therapien und Risiken, beziehungsweise in Bezug darauf, was jemand in einer palliativen Situation noch erreichen möchte. Das gelinge allerdings nicht immer im Sinne einer systematischen «Anamnese». «Was im Leben wichtig ist, lässt sich oft nicht einfach auf Nachfrage in Worte fassen. Man ergründet es eher im Verlauf wiederholter Begegnungen. Und vielmals verändern sich die Werte und Wünsche im Verlauf einer schweren Erkrankung.»

Dr. Roland Kunz, Palliativmediziner, riet einst, «statt nach Diagnosen zu fragen, sollten Ärzte, Ärztinnen herausfinden, was das Ziel ihrer Patienten, Patientinnen sei.» «Dem», sagt Ina Bujard, «gibt es nichts hinzuzufügen. Wir sollten uns daran immer wieder erinnern. Sollten uns bewusst sein, was ist unser Ziel.»

Dr. med. Ina Bujard, Oberärztin am Spital Walenstadt
Ina Bujard: «Die Lebensenergie, die uns lebendig macht, erlischt nicht einfach mit dem Sterben des Körpers.» (Foto: Eddy Risch)

Halten Sie Ihr «letztes Büro» à jour?

Eine fiese Frage unter «Fachleuten»: Ina Bujard, wie halten Sie es mit der Selbstbestimmung in der letzten Lebensphase? Sind Sie vorbereitet?
Ina Bujard: Ich denke viel darüber nach und stelle mir fast täglich die Frage, «was würde ich in dieser Situation tun?». Paradoxerweise habe ich keine diesbezüglichen Papiere ausgefüllt, obwohl ich mir bewusst bin, in meiner familiären Lage ist das katastrophal.

Gibts Gründe fürs Zögern?
Nicht mal eine gute Entschuldigung habe ich. Ausser der Tatsache, dass ich mich tatsächlich schwertue, alle Eventualitäten vorwegzunehmen. Zudem will es wohlüberlegt sein, eine Person zu benennen, die ich als Vertreter angeben könnte. Dem Menschen, den ich liebe, würde ich diese Last nicht auferlegen wollen. Ich kann mir vorstellen, in welchen emotionalen Zustand er ohnehin käme, träte die Situation ein.

Spenden Sie Ihre Organe?
Das würde ich tun. Einen Spendenausweis habe ich allerdings nicht. Vielleicht nehme ich dies jetzt zum Anstoss, und trage mich ein ins Register bei SwissTransplant.

Was denken Sie, was geschieht nach dem Sterben?
Keanu Reeves sagte neulich in einem Interview: «Ich glaube, die Menschen, die uns lieben, werden uns vermissen». Das finde ich eine sehr elegante Antwort, weil sie auf liebevolle Weise impliziert, das Leben wird weitergehen. Das ist jedenfalls der Teil, auf den wir uns verlassen können. Der andere Teil der Antwort bleibt ungewiss.

Die letzte Reise führt wohin?
Ich weiss tatsächlich nicht recht, was ich denke. Ich würde mich eher als Atheistin bezeichnen. Ich glaube nicht an Himmel oder Hölle. Allerdings glaube ich, die Lebensenergie, die uns lebendig macht, erlischt nicht einfach mit dem Sterben des Körpers. Wohin sie geht und was damit passiert, vermag ich mir nicht vorzustellen. Aber ich hoffe, sie bleibt erhalten und findet vielleicht ihren Weg zurück ins irdische Dasein.

Was geschieht mit der Seele? Begleitet sie uns von Leben zu Leben? Gibts eine Seelenwanderung?
Vielleicht? Das wäre schön. Mir gefällt die Vorstellung, Menschen, die wir liebten, wieder zu begegnen. Auch wenn wir davon nichts mehr wissen. (Macht eine Pause.) Ich bin mir aber nicht schlüssig, ob ich das glaube oder mir nur wünsche. Was Gedanken dieser Art angeht, bin ich noch sehr am Anfang meiner gedanklichen und spirituellen Reise.

Was machts mit Ihnen, wenn ich Ihnen prophezeien könnte, Sie würden heute Nacht still und leise sterben? Ohne Angst, ohne Schmerzen?
Das fände ich furchtbar schrecklich. Dann würden meine beiden Kinder morgen ihre tote Mutter im Bett finden. Diese Vorstellung ist unerträglich. (Schüttelt den Kopf.) Davon abgesehen: Es wäre schade. Ich bin neugierig auf das Leben. Jetzt zu sterben wäre, als würde man einen spannenden Film mittendrin ausschalten (lacht). Ich finde meinen Film jedenfalls gerade sehr spannend. Ob das objektiv so ist, sei dahingestellt. Ich bin einfach noch nicht fertig mit meinem Leben.

Text: Martin Schuppli, Fotos: Eddy Risch

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