«Es gibt nichts Schlimmeres, als jemanden Geliebtes zu vermissen und nicht zu wissen, wo er ist»

Wenn Wanderer von einer Tour nicht zurückkehren, demenzkranke Menschen sich verlaufen oder suizidgefährdete Personen vermisst werden, rücken die Hundeführerinnen von Redog aus. So auch Stefanie Stupf mit ihrem Labrador Yaro.

60 Minuten lang waren Yaro und Steffi Stupf auf der Suche. Dann kehrte Yaro zurück zu seiner Hundeführerin, das geflochtene Band in der Schnauze. Da wusste Stupf, dass ihr Hund etwas gefunden hatte. «Zeig», befahl sie ihm und folgte ihm durch den Wald. Plötzlich setzte sich der Hund hin. Stupf schaute sich um. Was sie sah, wird sie nicht wieder vergessen. Ein Mann, Mitte 30, hatte sich hier, in einem Wald im Kanton St.Gallen, das Leben genommen. «Mir sind sofort die Tränen in die Augen geschossen», sagt Stupf. Sie habe ihren Hund gelobt und am Fundort auf die Polizei gewartet, die alarmiert worden war. Zum ersten Mal hatte ihr Hund, der im Training und bei der Vermisstensuche bisher nur lebende Menschen geortet hatte, an diesem Tag im Mai 2021 jemanden gefunden, der verstorben war.

Seit acht Jahren ist Stefanie Stupf Mitglied bei Redog, dem Schweizerischen Verein für Such- und Rettungshunde. Die Organisation bietet Ausbildungen für Rettungsteams, bestehend aus Hund und Mensch, um vermisste und verschüttete Menschen zu suchen. Für die Suche nach Verschütteten nach Naturkatastrophen, Erdbeben, Explosionen oder auch Felsstürzen, gilt Redog gar als einzige Schweizer Ausbildungsstätte. Dabei arbeitet man eng mit Blaulichtorganisationen, kantonalen Behörden und Krisenstäben im In- und Ausland zusammen.

Mit dem Hund arbeiten und gleichzeitig etwas Gutes tun

«Ich sah im Fernsehen einen Beitrag über Redog. Da war mir klar: Das will ich machen», sagt Stupf. Mit ihrem Hund zu arbeiten und gleichzeitig etwas Gutes zu tun, sei für sie das Grösste. Dabei gehe es ihr weder um Anerkennung noch um einen Verdienst. «Die Bindung, die zwischen Mensch und Tier entsteht, kann man nicht beschreiben.»

Mehrere Tausend Stunden hat die 38-jährige Walliserin, die seit 16 Jahren in Buochs (NW) lebt, in die Ausbildung mit ihrem Labrador investiert. Seither wird sie jährlich vier bis fünfmal von der Polizei oder Privatpersonen zu einem Einsatz gerufen. Etwa, wenn Wanderer oder E-Bike-Fahrerinnen nicht mehr von einer Tour zurückkehren, eine Person mit Demenz sich verlaufen hat, suizidgefährdete Menschen vermisst werden.

Für manche Einsätze ist Stupf mit Yaro auch einmal acht Stunden unterwegs. Die Besprechung mit der Einsatzleitung und die Planung der Suchsektoren gehören ebenso dazu wie die Suche selbst. «Der Mensch geht rund 15 Kilometer, der Hund ein Vielfaches davon, und häufig einige hundert Höhenmeter.»

stefanie stupf mit yaro
Die Einsätze dauern oft Stunden. Stefanie Stupf hilft seit acht Jahren mit ihrem Labrado Yaro bei der Suche nach Vermissten. (© Manu Friederich)

Die Hunde suchen Gegenstände mit menschlicher Witterung

Die Redog-Geländesuchhunde sind darauf spezialisiert, Gegenstände mit menschlicher Witterung anzuzeigen. Rucksäcke, Kleider, Schuhe. Sie suchen meist in abgelegenen Gebieten oder in Wäldern nach Vermissten. Haben sie etwas entdeckt, nehmen sie einen sogenannten Bringsel – ein geflochtenes Band, das am Halsband hängt – in die Schnauze. Dann kehren sie zum Hundehalter zurück, der 50 bis 200 Meter hinter ihnen hergeht. Bei einem Einsatz sind immer auch SAR (search and rescue)-Helferinnen und -Helfer dabei, welche die Funkverbindung zur Einsatzzentrale sicherstellen und allenfalls erste Hilfe leisten.

Manchmal sind die Einsätze besonders belastend, etwa dann, wenn eine vermisste Person ihren Suizid bereits angekündigt hatte. Manchmal, wie damals im Wald, sind auch Bekannte oder Angehörige bei der Suche dabei. «Das ist besonders schwierig», sagt Stupf. Sie sei froh, habe beim Auffinden des Verstorbenen dessen Bruder nicht daneben gestanden. «Er hat auf dem nahen Parkplatz gewartet – zum Glück.»

Dass sie eine solche Situation erleben könnte, war Stupf von Anfang an klar. «Trotzdem weiss man im Voraus nicht, wie man damit umgeht.» Einen Monat habe sie gebraucht, um das Erlebte zu verarbeiten und wieder gut schlafen zu können. Geholfen habe ihr, mit dem anderen Helfer zu reden. Geholfen habe auch der Gedanke, dass die Familie dank Redog die Gewissheit darüber erhalten habe, was mit dem Mann geschehen war. «Es gibt nichts Schlimmeres, als jemand Geliebtes zu vermissen und nicht zu wissen, wo die Person ist.»

Nach dem Einsatz haben sich die Angehörigen bedankt

Nach dem Einsatz haben sich die Angehörigen des Verstorbenen bei Stupf bedankt. Das habe ihr geholfen, damit abzuschliessen.

Stupf bleibt dran, trainiert mit dem Hund weiter. So lange, wie er noch fit sei. Daneben führt sie, die lange im Gastgewerbe tätig war, selber eine Hundeschule. «Was die Hunde zu leisten fähig sind, ist extrem.» Es gebe nichts Besseres, als wenn man damit etwa einer Familie helfen könne, die wegen der Ungewissheit über den Verbleib eines Angehörigen fast verrückt werde, findet sie.

REDOG – Schweizer Such- und Rettungshunde

  • Redog bildet Vermissten- und Verschüttetensuchhunde aus. Die Ausbildung findet in zwölf Regionalgruppen in der ganzen Schweiz statt.
  • In der Vermisstensuche sind derzeit 50 Hundeführer und -führerinnen, 62 SAR-Helferinnen und -Helfer sowie und 14 Einsatzleiter tätig. Die Hundeteams sind rund um die Uhr bereit.
  • Auch Privatpersonen können Redog über die Notrufnummer 0844 441 144 anfordern.
  • Die Suche ist für die Angehörigen der vermissten Person dank des Spendenfonds kostenlos.
  • Bei jedem Einsatz arbeitet Redog mit der Polizei zusammen.

Eine Antwort auf „«Es gibt nichts Schlimmeres, als jemanden Geliebtes zu vermissen und nicht zu wissen, wo er ist»“

Bittel sagt:

Super super Steffi was du und dein Hund Jaro geleistet hat.Wir wünschen dir für die Zukunft alles gute mit Jaro

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