«Ausflüge sind für unsere Klienten nicht selbstverständlich»

Die Stiftung für Schwerbehinderte Luzern bietet an elf Standorten im ganzen Kanton Wohn- und Arbeitsplätze für schwer beeinträchtigte Menschen aller Altersklassen. Kommunikationsleiter Beat Staudacher über die Motivation, ihnen auch ausserhalb des Alltags ab und zu einen Wunsch zu erfüllen.

Ihre Stiftung betreibt elf Häuser im Kanton Luzern. Wer wohnt bei Ihnen, Herr Staudacher?

Bei uns wohnen Menschen, die oft mehrfach behindert sind. Es sind Leute, die im Alltag Unterstützung brauchen und einen höheren Betreuungsbedarf haben.

Wie muss man sich das vorstellen?

Es gibt verschiedene Gruppen. Wir haben Wohngemeinschaften mit einer bis zwei Betreuerinnen, in denen die Leute etwas Unterstützung brauchen, um morgens in den Tag zu starten. Dann gibt es aber auch Intensivgruppen, in denen teils ein Eins-zu-Eins-Setting nötig ist. Das ist besonders bei Personen wichtig, die sich selbst oder andere gefährden könnten. Dort sind die Gärten eingezäunt, die Wände kahl.

In welchen Bereichen braucht die Stiftung für Schwerbehinderte Luzern Spenden?

Wir haben einen Leistungsauftrag mit dem Kanton Luzern, den Menschen einen Wohnplatz und eine Beschäftigung zu geben. 97 Prozent unseres Budgets sind somit finanziert. Doch alles, was in der Freizeit passiert, können wir nur dank Spenden ermöglichen. Unser Budget ist stark beschränkt. Dazu gehören etwa Ausflüge mit den Klienten, die in ihrer Wohngruppe verreisen. Letztes Jahr war etwa eine Gruppe für eine Woche im Tessin, eine andere für ein Wochenende in Thun. Für sechs Klienten brauchen wir drei bis vier Betreuer. Der Betreuungsbedarf ist also recht hoch. Ein anderes Projekt, das mit Spenden finanziert wird, heisst «Wünsche werden wahr». Wir haben eine Wunschwand in unserem öffentlichen Café auf dem Areal, wo Wünsche platziert werden können. Passanten können sich diese anschauen und Wünsche durch Spenden erfüllen.

Menschen mit Behinderung sollten die Wahlfreiheit bekommen, damit sie ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können, sagt Beat Staudacher. Bild: Djamila Grossmann.

Welche Wünsche haben Ihre Klienten?

Dinge wie Konzerte, Ausflüge und Ferien, die für uns alltäglich sind, sind für unsere Klienten nicht selbstverständlich. Aus Spenden haben wir einmal einen Klangschaukelstuhl gekauft. Auf diesem Stuhl können die beeinträchtigten Menschen sitzen und Klänge durch den ganzen Körper spüren – ein extrem wertvoller Beitrag. Ein weiteres Spendenprojekt ist ein Park mit Bewegungsgeräten, den wir am Aufbauen sind. Dort können unsere Klienten mit dem Rollstuhl auf eine Schaukel gehen. Es gibt ein barrierefreies Kleintiergehege und auch Kunstausstellungen in Galerien. Wir wollen die Leute herholen und Begegnungen fördern, Hemmungen abbauen. Das ist für beide Seiten sehr wertvoll.

Wo finden Eltern mit Kindern Unterstützung, die eine Behinderung haben?

Im Kinderhaus Weidmatt haben wir ein aussergewöhnliches, auch überregionales Angebot. Wir betreuen Kinder zwischen null bis sechs Jahren. Häufig können wir die Familien – vor allem, wenn sie mehrere Kinder haben – mit unserem Angebot für zwei bis drei Tage und Nächte entlasten. Die Kinder, die zu uns kommen, haben ein persönlich eingerichtetes Zimmer, einen Rückzugsort. Wir bieten sehr viel Therapie, damit die Mobilität gefördert wird oder erhalten bleibt. Sobald die Kinder eingeschult werden, stellt der Kanton eine Lösung bereit.

Ihre Stiftung bietet nicht nur betreutes Wohnen und Freizeitaktivitäten, sondern auch eine Art geschützte Werkstatt.

Genau, wir haben auch verschiedene Ateliers, in denen die Bewohnerinnen und Bewohner arbeiten. Je nach Wunsch und Fähigkeiten bieten wir Töpfern, Zeichnen und Malen, Arbeiten in der Logistik, um die internen Dienste zu unterstützen, in der Wäscherei oder in der Küche an. Es handelt sich um Arbeit ohne Lohn. Es gibt keinen Leistungsdruck und keine externen Aufträge. Wir müssen jeden Tag so nehmen, wie er kommt.

Sind die Leute ihr Leben lang bei Ihnen?

Es wird in den nächsten Jahren einen Wandel geben. Gemäss der UNO-Behindertenkonvention gibt es Bestrebungen, dass man den Menschen mit Behinderung die Wahlfreiheit lässt, damit sie ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können. Es soll immer mehr fliessende Übergänge geben, angestrebt werden Sozialräume und eine Durchmischung zwischen Bewohnern und Auswärtigen, die hier «nur» zur Arbeit kommen. Auch schon habe ich Bewohner kennengelernt, die in drei verschiedenen Wohnhäusern gelebt haben, bevor sie zu uns kamen.

Bei der Stiftung für Schwerbehinderte können die Leute wohnen, arbeiten und verschiedene Freizeitangebote nutzen.

Welche Momente haben Sie besonders beeindruckt, seit Sie da arbeiten?

Geblieben ist mir das Strahlen der Leute über diesen Klangstuhl. Zu sehen, wie die Hilfe der Spenderinnen und Spender ankommt, war ein schöner Moment. Das ist meine Motivation. Einmal wünschte sich ein Tagesbeschäftigter eine Fahrt auf die Rigi. Wir fanden einen Spender, der den Wunsch erfüllte. Es war ein schöner sonniger Tag, für unseren Klienten absolut besonders. Der Betreuer, der dabei war, erlebte ihn auf eine ganze andere Art, was das Band zwischen ihnen festigte. Auch dieser Moment bleibt in Erinnerung.

1971 wurde die «Stiftung für Schwerbehinderte Luzern» durch Elternvereinigungen zusammen mit dem Kanton Luzern gegründet. Die Stiftung betreut Menschen mit schwerer Behinderung, denen ein selbstständiges Leben oder eine Integration in geschützten Werkstätten aufgrund der Einschränkungen nicht mehr möglich ist. Die SSBL bietet diesen Menschen einen Lebensplatz. Sie können bei der SSBL wohnen, arbeiten und verschiedene Freizeitangebote nutzen. 

Die Stiftung zählt 860 Mitarbeitende. An elf Standorten im ganzen Kanton Luzern bietet sie 305 Wohnplätze im Erwachsenenbereich, 75 Arbeitsplätze für Tagesbeschäftigte sowie 17 Wohnplätze für Kinder im Vorschulalter.

Kommentar verfassen