Organspende – was gilt?

Medizinischer und gesellschaftlicher Fortschritt machen es möglich, durch Organspenden immer mehr Leben zu retten. Mit der Revision des Transplantationsgesetzes wird in der Schweiz die sogenannte «erweiterte Widerspruchslösung» eingeführt. Im folgenden Text erklären wir Ihnen, was das für Sie bedeutet.

Das Wichtigste in Kürze

  • «Organspende» ist ein Überbegriff für die Entnahme von Organen oder Zellgewebe bei einer (in der Regel verstorbenen) Person, um diese einer anderen Person einzusetzen, die darauf angewiesen ist. Das medizinische Verfahren wird als «Organtransplantation» bezeichnet.
  • Für eine Organspende kommt grundsätzlich jede Person infrage, sofern ihre Organe in einem Zustand sind, der eine medizinisch einwandfreie Transplantation erlaubt.
  • Ein Entscheid über die Zustimmung zu oder Ablehnung einer Organspende kann insb. auf einer Organspendekarte, in einer Patientenverfügung oder in einem elektronischen Patientendossier festgehalten werden.
  • Bei der Zustimmungslösung (altes Recht) muss die verstorbene Person zu Lebzeiten ihre Zustimmung festgehalten haben oder ihre Angehörigen diese nachträglich erteilen. Ansonsten dürfen keine Organe entnommen werden.
  • Bei der erweiterten Widerspruchslösung (neues Recht) gilt grundsätzlich jede verstorbene Person als Organspenderin, die zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen hat. Allerdings sind bei Fehlen einer Äusserung stets auch deren Angehörige zu konsultieren; ohne deren Anhörung ist eine Organentnahme weiterhin unzulässig.

In der Volksabstimmung vom 15. Mai 2022 wurde der indirekte Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten» angenommen. Im Wesentlichen ging es dabei darum, die bisherige Zustimmungslösung neu durch eine Form der Widerspruchslösung zu ersetzen. Dazu werden bis voraussichtlich 2026 das Transplantationsgesetz und die dazugehörigen Verordnungen angepasst.

Aber der Reihe nach: Was bedeutet überhaupt «Organspende», wie war sie in der Schweiz bisher geregelt und was ändert sich mit der Gesetzesrevision für Sie?

Was bedeutet «Organspende» und «Organtransplantation»?

In der Schweiz kann jede Person bis zu sechs verschiedene Organe spenden. Dabei handelt es sich um Herz, Lunge, Leber, Niere, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm. Zudem ist es möglich, Zellgewebe zu spenden. Dazu gehören Augenhornhaut, Herzklappen und grössere Blutgefässe, Knochen, Knorpel sowie Sehnen und Bänder. Alle diese Organ- und Gewebespenden werden für gewöhnlich unter dem Begriff «Organspende» zusammengefasst. 

Die medizinischen Eingriffe, die erfolgen müssen, damit ein gespendetes Organ entnommen und einer anderen Person eingesetzt wird, werden zusammenfassend als «Organtransplantation» bezeichnet.

Wer kann Organe spenden?

Grundsätzlich kann jede Person, unabhängig von ihrem Lebensalter, Organe spenden. Ob und welche Organe im Einzelfall gespendet werden können, ist vor allem von deren Zustand abhängig. Auch Menschen mit Vorerkrankungen können ihre Organe spenden, sofern die Organe selbst gesund sind. Gewisse Krankheiten, wie z.B. Tollwut oder Blutvergiftungen, können jedoch allen Arten von Organspenden entgegenstehen. Fachpersonen beurteilen vor einer Transplantation anhand von medizinischen Kriterien, ob eine Organspende möglich und sinnvoll ist.

Eine Organspende (z.B. von Nieren oder Leber) ist zwar unter bestimmten Voraussetzungen schon zu Lebzeiten möglich, in der Regeldreht sich die Debatte aber um Organspenden nach dem medizinisch festgestellten Tod einer Person.

Wo und wie ist die Organspende in der Schweiz geregelt?

Die Organspende in der Schweiz ist im Transplantationsgesetz und den dazugehörigen Verordnungen geregelt. Daraus ergeben sich – Stand Anfang 2024 – die folgenden Voraussetzungen und Abläufe:

Die Einwilligungs- oder Zustimmungslösung

Verstirbt eine Person unter Umständen, die eine Organtransplantation möglich erscheinen lassen, so wird geprüft, ob eine gültige Einwilligung zur Organspende vorliegt (sog. «Einwilligungslösung» oder «Zustimmungslösung»). 

  • Organe oder Gewebe dürfen nur entnommen werden, wenn eine nachweisbare Zustimmung der verstorbenen Person besteht. Liegt eine Einwilligung mittels eines der unten genannten Dokumente (Organspendekarte, Patientenverfügung oder EPD) vor, so werden die Angehörigen darüber informiert. Dieses Informationsgespräch ist gesetzlich vorgeschrieben.
  • Ist keine Äusserung der verstorbenen Person dokumentiert, so werden die nächsten Angehörigen befragt, ob sie deren Willen kennen. Falls nicht, müssen die Angehörigen im Sinne der betroffenen Person ihre Zustimmung erteilen oder die Organspende ablehnen. Als «nächste Angehörige» gelten Lebensgefährten (Ehegatten, eingetragene Partner, Lebenspartner), Kinder, Eltern, Geschwister, Grosseltern etc. Entscheidungsbefugt ist, wer mit der verstorbenen Person am engsten verbunden war. Gleiche Rechte wie die nächsten Angehörigen haben auch von der verstorbenen Person ernannte Vertrauenspersonen.
  • Hat die verstorbene Person ihren Willen nicht festgehalten und sind keine Angehörigen erreichbar, so dürfen keine Organe oder Gewebe entnommen werden.

Wie kann ich meine Einwilligung festhalten?

Eine Einwilligung können Sie mit den folgenden Dokumenten festhalten:

  • Organspendekarte: Auf der Spendekarte können Sie detailliert festhalten, ob Sie alle oder nur gewisse Organe oder Gewebearten spenden möchten. Sie können eine Spende auch generell ablehnen oder den Entscheid einer bestimmten Vertrauensperson übertragen. Die Angaben auf der Spendekarte werden nicht registriert; deshalb sollten Sie diese bei sich tragen oder an einem Ort hinterlegen, den Ihre Angehörigen kennen. Die Spendekarte können Sie kostenlos online bestellen.
  • Patientenverfügung: Mit einer Patientenverfügung können Sie festhalten, welchen medizinischen Massnahmen Sie (nicht) zustimmen, wenn Sie darüber nicht mehr selbst entscheiden können. Da es sich auch bei der Organspende um eine medizinische Massnahme handelt, können Sie auch diese in einer Patientenverfügung regeln. Bewahren Sie auch Ihre Patientenverfügung so auf, dass sie bei Bedarf gut auffindbar ist und lassen Sie deren Existenz gegebenenfalls auf Ihrer Krankenversicherungskarte vermerken. Ausserdem bietet das Schweizerische Rote Kreuz eine Hinterlegungsstelle für Patientenverfügungen.
  • Elektronisches Patientendossier (EPD): Im EPD können Sie Gesundheitsdaten ablegen und bestimmen, wer darauf zugreifen darf. Auch die Organspendekarte können Sie darin ablegen. Weitere Informationen dazu finden Sie auf der offiziellen Informationsplattform zum EPD von eHealth Suisse, Bund und Kantonen: Patientendossier.ch.
  • Wichtig: Ein Testament ist nicht geeignet, um Ihre Organspende zu regeln. Dies deshalb, weil Testamente häufig erst Wochen oder Monate nach dem Tod der Verfasserin oder des Verfassers eröffnet werden. Meist ist die Bestattung dann bereits abgeschlossen und Organe, Gewebe und Zellen können nicht mehr transplantiert werden.

Wie ist der Ablauf einer Organspende geregelt?

Um zu gewährleisten, dass die gespendeten Organe intakt bleiben, muss die Entnahme möglichst schnell nach dem Ableben der Spenderin oder des Spenders durch medizinisches Fachpersonal erfolgen. Deshalb kommen vor allem Personen, die sich zum Todeszeitpunkt in oder nahe bei einem Krankenhaus befanden, als Organspender in Betracht. Die Entnahme von Spenderorganen hinterlässt bloss eine «gewöhnliche» Operationsnarbe, sodass sich die Angehörigen von der verstorbenen Person würdevoll verabschieden können.

In der Organzuteilungsverordnung finden sich Regeln, wer ein Spenderorgan erhält: Gemäss dieser wird eine Warteliste geführt, die auf den Hauptkriterien «medizinische Dringlichkeit», «medizinischer Nutzen», «Prioritätenmerkmale» (z.B. Alter, Blutgruppe, Unverträglichkeiten) sowie «Wartezeit» basiert.

Nähere Details zum Ablauf einer Organspende finden Sie etwa auf der Website oder in den Broschüren und Referaten der Schweizerischen Nationalen Stiftung für Organspende und Transplantation (Swisstransplant).

Was ändert sich mit der Gesetzesrevision?

Die bislang in der Schweiz (und u.a. auch in Dänemark, Irland oder Litauen) geltende Zustimmungslösung ist nicht alternativlos. So hat insb. die Praxis der Nachbarstaaten den schweizerischen Gesetzgeber in seinen Überlegungen beeinflusst.

Welche Alternativen zur Zustimmungslösung gibt es?

In Europa gibt es von Land zu Land unterschiedliche Detailregelungen zur Organspende. Diese lassen sich aber im Wesentlichen zu drei Modellen zusammenfassen, die der Zustimmungslösung gegenübergestellt werden können:

  • Entscheidungslösung: Bei der Entscheidungslösung wird besonders intensiv auf eine Entscheidung der einzelnen Personen hingewirkt. Bspw. in Deutschland versenden Krankenkassen regelmässig Informationsbroschüren und Formulare an die Versicherten und fordern diese damit auf, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und Entscheidungen zu treffen.
  • Widerspruchslösung: Die (einfache) Widerspruchslösung gilt bspw. in Frankreich, Italien und Österreich. Bei diesem Modell kommt jede Person für eine Organspende in Frage, die vor ihrem Tod nicht ausdrücklich widerspricht. Angehörigen kommt grundsätzlich kein Mitspracherecht zu.
  • Erweiterte Widerspruchslösung: Bei der insb. in Skandinavien verbreiteten erweiterten Widerspruchslösung wird zusätzlich den Angehörigen der verstorbenen Person die Möglichkeit eingeräumt, die Organentnahme zu verhindern.
europakarte: Organspendelösungen
Abbildung 1: Europaweiter Vergleich der Organspendelösungen. Darstellung von Swisstransplant

Welche Regelung wird neu in der Schweiz gelten?

Mit der Revision des Transplantationsgesetzes führt die Schweiz eine Regelung ein, die als «erweiterte Widerspruchslösung»bekannt ist. Dabei handelt es sich um einen Kompromiss zwischen den Zielen der Selbstbestimmung über den eigenen Körper und der Rettung von Leben durch mehr verfügbare Spenderorgane.

Wichtig ist bei der erweiterten Widerspruchslösung insbesonder der Einbezug der Angehörigen, die stellvertretend für die verstorbene Person widersprechen können:

  • Jede Person, die nach Inkrafttreten der Revision verstirbt, gilt dann grundsätzlich als Organspenderin, ausser sie hat zu Lebzeiten festgehalten, dass sie nicht spenden will.
  • Liegt keine entsprechende Äusserung vor, so werden auch bei der erweiterten Widerspruchslösung die Angehörigen konsultiert. Sie können einer Organentnahme widersprechen, wenn sie wissen oder vermuten, dass die verstorbene Person sich dagegen entschieden hätte.
  • Wenn keine Willensäusserung vorliegt und trotz Nachforschungen keine Angehörigen erreichbar sind, ist auch unter der erweiterten Widerspruchslösung eine Entnahme von Organen verboten. Ohne Konsultation von Angehörigen ist eine Organtransplantation also sogar dann unzulässig, wenn zwar kein Widerspruch erfolgt ist, aber auch keine Abklärungen mit Angehörigen getroffen werden konnten. Darin liegt eine bedeutende Einschränkung des Widerspruchsprinzips.

Diese Revision ist aktuell noch in der Ausarbeitung. Der Bund wird zusätzlich ein Register schaffen, in dem Erklärungen über die Organspende eingetragen werden können.

Worauf muss ich achten, wenn ich (nicht) Organspender werden will?

Alle bisherigen Willensäusserungen werden auch unter der Widerspruchslösung weiterhin gültig sein. Es wird lediglich die Handhabung von Fällen geändert, in denen sich eine Person gar nicht zu ihrem Spendewillen geäussert hat.

Bereits heute können Sie Ihre Zustimmung zu oder Ablehnung einer Organspende auf einer Organspendekarte, in einer Patientenverfügung oder im EPD festhalten (siehe oben). Diese wird auch unter der Widerspruchslösung weiter gültig bleiben.

Falls Sie Fragen zu den Voraussetzungen und Prozeduren haben, sprechen Sie darüber am besten mit einer Ärztin oder einem Arzt Ihres Vertrauens. Informieren Sie am besten auch Ihre Angehörigen über Ihren Entscheid.

Dies könnte Sie auch interessieren:

Kommentar verfassen