Erbvorbezug, Schenkung oder Darlehen: Was ist besser?

Eltern möchten ihre Kinder oft schon zu Lebzeiten finanziell unterstützen. Dabei stehen drei Optionen zur Wahl: Erbvorbezug, Schenkung oder Familiendarlehen. Jede Variante hat unterschiedliche rechtliche und steuerliche Folgen.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der Erbvorbezug ist die vorzeitige Auszahlung des späteren Erbes. Er wird somit später im Erbfall bei der Erbteilung angerechnet. Sie werden bei der Erbteilung automatisch Gegenstand der Ausgleichung.
  • Schenkungen sind endgültige, unentgeltliche Vermögensübertragungen ohne Rückzahlungspflicht. Sie gelten gesetzlich als Erbvorbezug, wenn sie innerhalb von fünf Jahren vor dem Tod des Erblassers gemacht werden. Somit können auch sie Gegenstand der Ausgleichung und Herabsetzungsklage werden.
  • Familiendarlehen sind Kredite zwischen Familienangehörigen, die zurückbezahlt werden müssen und schriftlich dokumentiert werden sollten.
  • Die steuerlichen Folgen unterscheiden sich je nach Kanton und Variante erheblich.

Was ist ein Erbvorbezug?

Ein Erbvorbezug ist eine vorzeitige Auszahlung des späteren Erbes. Das Besondere: Der erhaltene Betrag wird bei der späteren Erbteilung vom Erbteil des Empfängers abgezogen. Damit erhalten alle Erben letztendlich den in der Nachlassplanung vorgesehenen Betrag, nur zu unterschiedlichen Zeitpunkten.

Bei der Erbteilung wird der Erbvorbezug zum Verkehrswert zum Zeitpunkt der Zuwendung angerechnet. Beim Verkehrswert handelt es sich um den Wert, für den man unter normalen wirtschaftlichen Umständen gleiche oder ähnliche Gegenstände kaufen oder verkaufen kann. Hat also eine Tochter vor fünf Jahren ein Grundstück im Wert von 500’000 Franken als Erbvorbezug erhalten, wird dieser Betrag von ihrem Erbteil abgezogen – auch wenn das Grundstück heute mehr wert ist. 

Was ist eine Schenkung?

Eine Schenkung ist eine endgültige, unentgeltliche Vermögensübertragung. Die beschenkte Person erhält das Vermögen ohne Gegenleistung und grundsätzlich ohne spätere Anrechnung bei der Erbteilung. Die Schenkung reduziert somit den späteren Nachlass.

Schenkungen können zudem die Pflichtteilsansprüche anderer Erben verletzen. Werden durch Schenkungen die Pflichtteilsansprüche der übrigen Erben unterschritten, können diese eine Herabsetzung fordern. Dies können die Erben, welche in ihrem Pflichtteilsanspruch verletzt worden sind, primär durch die Herabsetzungsklage gemäss Art. 522 ff. ZGB erreichen. Dabei kann innerhalb von einem Jahr nach Kenntnisnahme der Pflichtteilsverletzung verlangt werden, dass die Schenkung um so viel herabgesetzt wird, dass auch die Pflichtteile erfüllt werden können.

Beispiel: Ein Vater schenkt seinem Sohn 300’000 Franken für den Hauskauf. Bei seinem Tod zwei Jahre später hinterlässt er einen Nachlass von 200’000 Franken. Die Tochter kann verlangen, dass die Schenkung bei der Berechnung ihres Pflichtteils berücksichtigt wird.

Was ist ein Familiendarlehen?

Das Darlehen (Art. 312 ff. OR) ist ein Vertrag, in welchem sich eine Partei (der Darleiher) dazu verpflichtet, der anderen Partei (dem Borger) das Eigentum an einer Sache zu übertragen. Der Borger verpflichtet sich wiederum, die Sache in gleicher Art und Menge rückzuerstatten. Obschon es sich bei dieser Sache um vielerlei handeln kann, ist meist Geld Gegenstand eines Darlehens. Wenn der Darlehensvertrag zwischen Privatpersonen geschlossen wird, dann ist das Darlehen nur verzinst, wenn es explizit abgemacht wurde. Ein Familiendarlehen ist somit ein Kredit zwischen Familienangehörigen, der oft zinslos oder zu günstigen Konditionen gewährt wird. Da der Borger sich bei einem Darlehensvertrag zur Rückzahlung verpflichtet, muss das Familiendarlehen im Gegensatz zur Schenkung und Erbvorzug wieder zurückgezahlt werden. Ausserdem kann der Darleiher das Darlehen jederzeit kündigen und, sofern kein Rückzahlungstermin oder keine Kündigungsfrist vereinbart wurde, innerhalb von 6 Wochen zurückverlangen. Es gibt jedoch die Möglichkeit, dass das Darlehen durch einen sogenannten Schulderlass zu einer Schenkung oder sogar zu einem Erbvorzug umgewandelt wird

Stirbt der Darlehensgeber vor der Rückzahlung, wird das Darlehen Teil des Nachlasses. Die Erben können dann die Rückzahlung verlangen oder das Darlehen direkt mit dem Erbanspruch des Schuldners verrechnen.

Steuerliche Aspekte der drei Varianten

Die steuerlichen Folgen unterscheiden sich erheblich und variieren stark zwischen den Kantonen. Während einige Kantone keine Erbschafts- oder Schenkungssteuern erheben, kennen andere hohe Steuersätze.

Erbvorbezüge werden meist wie Erbschaften besteuert, also erst beim Tod des Erblassers. Schenkungen unterliegen hingegen oft der sofortigen Schenkungssteuer. Familiendarlehen bleiben grundsätzlich zu Lebzeiten des Darlehensgebers in dessen Vermögen und werden dort versteuert. Sie sind somit in aller Regel steuerneutral.

In vielen Kantonen sind direkte Nachkommen von der Erbschaftssteuer oder der Schenkungssteuer befreit. In solchen Fällen kann es somit aus steuerlicher Sicht kaum einen Unterschied zwischen Erbvorzug und Schenkung geben. Andere Kantone besteuern Schenkungen höher als Erbschaften. Es ist somit bei der Wahl zwischen Schenkung und vorgezogenem Erbbezug stets die Steuergesetze des massgeblichen Kantons zu beachten.

Pflichtteilsschutz und Ausgleichung

Alle drei Varianten können die Pflichtteilsansprüche anderer Erben betreffen. Bei Erbvorbezügen erfolgt automatisch eine Ausgleichung bei der Erbteilung. Schenkungen, die weniger als fünf Jahre vor dem Tod gemacht wurden, gelten rechtlich als Erbvorbezug. Sie unterliegen dann der automatischen Ausgleichungspflicht bei der Erbteilung. Ältere Schenkungen sind grundsätzlich sicher vor Pflichtteilsansprüchen und der Ausgleichung. Familiendarlehen sind unproblematisch, solange sie tatsächlich als Darlehen behandelt und zurückbezahlt werden.

Ein wichtiger Punkt: Schenkungen an den Ehegatten können grundsätzlich nicht mithilfe der Herabsetzungsklage angefochten werden. Hier besteht somit mehr Gestaltungsfreiheit als bei Zuwendungen an die Kinder.

Das könnte Sie auch interessieren:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert