Das Wichtigste in Kürze:
- Das schweizerische Zivilgesetzbuch kennt vier Arten des Erbausschlusses: die Erbunwürdigkeit, die Enterbung, die Ausschlagung und den Erbverzicht.
- Jede dieser vier Arten des Erbausschlusses kommt in unterschiedlichen Situationen zur Anwendung. Sie haben verschiedene Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, und unterschiedliche Rechtsfolgen.
- Nur die Erbunwürdigkeit und die Enterbung betreffen auch den Pflichtteil.
- Je nach Art des Erbausschlusses können Nachkommen in die Erbenstellung eintreten.
Die vier Ausschlussgründe im Überblick
Der entscheidende Unterschied zwischen den vier Arten des Erbausschlusses liegt darin, von wem der Ausschluss ausgeht:
- Erbunwürdigkeit (Art. 540 ZGB): Tritt automatisch kraft Gesetzes ein, wenn die erbunwürdige Person gewisse Handlungen vollzogen hat. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn die erbunwürdige Person die erblassende Person vorsätzlich getötet hat oder dies versuchte.
- Enterbung (Art. 477 ZGB): Muss ausdrücklich von der verstorbenen Person im Testament oder Erbvertrag verfügt worden sein. Auch hier müssen aber schwerwiegende Handlungen der enterbten Person vorliegen. Beispielsweise wenn die enterbte Person gegen die verstorbene Person eine schwere Straftat begangen hat.
- Ausschlagung (Art. 566 ZGB): Die erbberechtigte Person entscheidet selbst, das Erbe nicht anzunehmen. Dabei haben die Erben eine Ausschlagungsfrist von drei Monaten.
- Erbverzicht (Art. 495 ZGB): Der Erbverzicht wird zwischen Erben und Erblassenden zu Lebzeiten vereinbart und muss öffentlich beurkundet werden.
Die Wirksamkeit der verschiedenen Erbausschlüsse
Jede Form des Erbausschlusses unterscheidet sich im Zeitpunkt, wann sie festgelegt bzw. verfügt werden muss und wann sie wirksam wird. So wird der Erbverzicht als einzige Ausschlussform bereits zu Lebzeiten mit der erblassenden Person vereinbart. Auch die Enterbung wird ebenfalls zu Lebzeiten durch die erblassende Person verfügt. Sie entfaltet ihre Wirkung aber erst im Todesfall.
Die Erbunwürdigkeit kann sowohl vor als auch nach dem Tod eintreten – entscheidend ist der Zeitpunkt der verwerflichen Handlung. Weil das Gesetz bei der Erbunwürdigkeit verhältnismässig hohe Hürden ansetzt, muss diese nicht einmal von der erblassenden Person oder anderen Erben geltend gemacht werden: Die Erbunwürdigkeit gilt von Gesetzes wegen. Die Ausschlagung spielt sich immer nach dem Erbfall ab und muss innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Monaten erfolgen. Bei gesetzlichen Erben beginnt die Frist mit der Kenntnis des Todesfalls, bei eingesetzten Erben mit der amtlichen Mitteilung, dass sie als Erben eingesetzt wurden.
Auswirkungen auf den Pflichtteil
Ein zentraler Unterschied zwischen den verschiedenen Ausschlussarten zeigt sich bei der Wirkung auf den Pflichtteil. Bei Erbunwürdigkeit und gültiger Enterbung verlieren die betroffenen Personen ihren gesamten Erbanspruch inklusive Pflichtteil.
Beim Erbverzicht können die Parteien flexibel vereinbaren, ob sich der Verzicht nur auf die freie Quote oder auch auf den Pflichtteil erstreckt.
Beispiel: Ein Vater aus Basel vereinbart mit seiner Tochter einen Erbverzicht gegen eine Abfindung von 300’000 Franken. Im Vertrag halten sie fest, dass sie nur auf die freie Quote verzichtet, ihren Pflichtteil aber behält. Diese Flexibilität bieten weder Erbunwürdigkeit noch Enterbung.
Die Ausschlagung betrifft immer das gesamte Erbe – ein teilweiser Verzicht ist nicht möglich.
Rechtsfolgen für die Nachkommen
Die Auswirkungen auf die Nachkommen unterscheiden sich erheblich.
- Bei der Erbunwürdigkeit treten die Nachkommen automatisch an die Stelle der erbunwürdigen Person, sofern es sich um gesetzliche Erben handelt.
- Gleiches gilt bei der Enterbung, ausser die verstorbene Person hat dies ausdrücklich ausgeschlossen. Bei der Ausschlagung ist die Rechtslage komplexer. Wenn ein gesetzlicher Erbe die Erbschaft ausschlägt, wird die Situation so behandelt, als hätte der Erbe den Erbgang nie erlebt. Die Nachkommen dieses Erben haben daraufhin die Möglichkeit, das Erbe innert einer Frist von drei Monaten anzutreten.
- Beim Erbverzicht hängt die Wirkung auf Nachkommen von der vertraglichen Gestaltung ab – ohne ausdrückliche Regelung erstreckt sich der Verzicht auch auf sie. Wenn nichts weiter angeordnet ist, so wirkt der Erbverzicht auch gegenüber den Nachkommen des Verzichtenden.