Das Wichtigste in Kürze:
- Der Vorsorgeauftrag tritt erst in Kraft, wenn die auftraggebende Person urteilsunfähig wird und die KESB dies feststellt.
- Angehörige oder Fachpersonen müssen das Verfahren bei der KESB auslösen.
- Die KESB prüft daraufhin den Vorsorgeauftrag. Hierbei werden namentlich die Gültigkeit des Vorsorgeauftrags und die Eignung der bevollmächtigten Person geprüft.
- Bei positivem Entscheid erhält die bevollmächtigte Person eine Urkunde.
- Die Dauer des Verfahrens hängt vom konkreten Einzelfall ab. In aller Regel kann aber mit einer Dauer von mehreren Wochen gerechnet werden.
Schritt 1: Erstellung des Vorsorgeauftrages
Damit ein Vorsorgeauftrag von der KESB überhaupt geprüft werden kann, muss die betroffene Person einen Vorsorgeauftrag erstellen. Dieser muss vor Eintritt der Urteilsunfähigkeit erstellt worden sein.
Der Vorsorgeauftrag muss gemäss Artikel 361 ZGB in einer der folgenden zwei Formen errichtet werden:
- Eigenhändige Errichtung: Hierbei muss die auftraggebende Person von Anfang bis Ende von Hand niederschreiben, datieren und unterschreiben.
- Öffentliche Beurkundung: Die genaue Ausgestaltung der öffentlichen Beurkundung ist kantonal geregelt. Die Urkundsperson muss in jedem Fall aber mindestens die Identität der auftraggebenden Person sowie deren Urteilsfähigkeit abklären.
Nach der Erstellung des Vorsorgeauftrages ist es ratsam, Familie und Freunde über deren Existenz zu informieren und den Auftrag an einem leicht zugänglichen Ort zu verstauen. Zudem besteht die Möglichkeit, auf Antrag den Vorsorgeauftrag beim Zivilstandesamt hinterlegen zu lassen. Dadurch kann sichergestellt werden, dass die KESB von der Existenz des Vorsorgeauftrags Kenntnis erhält.
Schritt 2: Die Urteilsunfähigkeit tritt ein
Der Vorsorgeauftrag «schlummert» so lange, bis die Urteilsfähigkeit der auftraggebenden Person eingetreten ist. Urteilsunfähigkeit kann durch Krankheit, Unfall oder Altersschwäche entstehen.
Wichtig: Der Auftrag wird nicht automatisch wirksam. Er muss in den nächsten Schritten durch die KESB geprüft werden.
Schritt 3: Kenntnisnahme durch die KESB
Das Verfahren startet nicht von selbst. Die KESB muss von der Urteilsunfähigkeit der Person erfahren. Das kann beispielsweise geschehen, indem eine Person im Umfeld der auftraggebenden Person die KESB kontaktiert. Dabei handelt es sich in der Regel um Ärzte, Ärztinnen, Pflegepersonal, Angehörige oder andere nahestehende Personen.
Die zuständige KESB, welche schriftlich für die Prüfung kontaktiert werden muss, befindet sich am Wohnsitz der auftraggebenden Person. Folgende Unterlagen sind nötig:
- Der originale Vorsorgeauftrag
- Ärztliches Zeugnis über die Urteilsunfähigkeit
- Personalien der bevollmächtigten Person
Schritt 4: Prüfung durch die KESB
Die KESB prüft nun die folgenden Punkte:
Ist die Person wirklich urteilsunfähig? Meist reicht das eingereichte Arztzeugnis. Bei Unklarheiten kann die KESB eine zusätzliche fachliche Abklärung anordnen.
Ist der Vorsorgeauftrag gültig? Der Auftrag muss entweder vollständig handschriftlich oder öffentlich beurkundet sein. Datum, Unterschrift und konkrete Aufgabenbeschreibung müssen vorhanden sein.
Ist die bevollmächtigte Person geeignet? Die bezeichnete Person muss fähig sein, die Aufgaben zu übernehmen. Beispielsweise prüft die KESB, ob die beauftragte Person Einträge im Straf- oder Betreibungsregisterauszug hat oder ob relevante Interessenskonflikte bestehen.
Möchte die bevollmächtigte Person diesen Auftrag übernehmen? Während des Abklärungsverfahrens wird die beauftragte Person überdies kontaktiert und gefragt, ob sie diesen Auftrag übernehmen möchte. Falls ja, wird die beauftragte Person am Ende des Verfahrens zu einer Anhörung eingeladen, bei welcher ihr der Umfang aller Aufgaben erklärt wird.
Schritt 5: Entscheid und Urkunde
Bei positivem Entscheid erklärt die KESB den Vorsorgeauftrag für wirksam. Die bevollmächtigte Person erhält eine offizielle Urkunde, die ihre Befugnisse bestätigt. Mit dieser Urkunde kann sie bei Banken, Versicherungen und Behörden handeln.
Was passiert, wenn die beauftragte Person nicht verfügbar ist?
Wenn die auftraggebende Person eine Ersatzperson im Vorsorgeauftrag benennt hat, so wird die Eignung dieser Person geprüft. Wenn dies nicht der Fall ist, und die auftraggebende Person effektiv urteilsunfähig ist, wird meist die Errichtung einer Beistandschaft geprüft.
Dauer und Kosten des Verfahrens
Das Inkrafttreten dauert meist 4–8 Wochen, kann aber bei komplizierten Fällen auch mehrere Monate beanspruchen. Die Kosten variieren je nach Kanton und betragen typischerweise zwischen 200 und 800 Franken.
Die Gebühren werden vom Vermögen der urteilsunfähigen Person bezahlt, nicht von der bevollmächtigten Person.
Fallbeispiel: Wie es in der Praxis abläuft
Die Situation: Frau Müller (82) lebt allein und zeigt erste Anzeichen von Demenz. Ihre Tochter Sandra bemerkt, dass die Mutter verwirrt ist und wichtige Post nicht mehr bearbeitet. Zum Glück hat Frau Müller vor drei Jahren einen Vorsorgeauftrag verfasst und Sandra als Bevollmächtigte eingesetzt.
Tag 1 – Arztbesuch: Sandra begleitet ihre Mutter zum Hausarzt. Dieser bestätigt eine beginnende Demenz und stellt ein ärztliches Zeugnis über die Urteilsunfähigkeit aus.
Tag 3 – Antrag bei der KESB: Sandra reicht bei der KESB den handschriftlichen Vorsorgeauftrag ihrer Mutter ein, zusammen mit dem Arztzeugnis und dem Antrag auf Inkrafttreten.
Woche 2 – Erste Prüfung: Die KESB prüft die eingereichten Unterlagen. Der Vorsorgeauftrag ist vollständig handschriftlich verfasst, datiert und unterschrieben. Die Aufgaben (Vermögensverwaltung und Gesundheitssorge) sind klar definiert.
Woche 4 – Anhörung: Die KESB lädt Sandra zu einem Gespräch ein. Sie bestätigt ihre Bereitschaft, die Aufgaben zu übernehmen, und erklärt, wie sie sich die Betreuung ihrer Mutter vorstellt.
Woche 6 – Entscheid: Die KESB erklärt den Vorsorgeauftrag für wirksam. Sandra erhält eine offizielle Urkunde mit ihren Befugnissen.
Ab sofort: Sandra kann mit der Urkunde bei der Bank die Konten ihrer Mutter verwalten, bei der Krankenkasse Anfragen stellen und medizinische Entscheidungen treffen.