«Ich möchte einen Teil meines Vermögens einer guten Sache stiften»

André Dunand engagiert sich im Vorstand von FreeTheBees für die Wildbienenkultur. Zurzeit denkt er darüber nach, einen Teil seines Nachlasses für die Freiheit der Bienen zu spenden. Ein Interview über die Beweg- und Hintergründe.

Sie sind Vorstandsmitglied für FreeTheBees in der Westschweiz. Wie ist es dazu gekommen?

Ich habe mich schon immer sehr für die Erhaltung der Natur und die Biodiversität interessiert. Leider hatte ich während meines Berufslebens zu wenig Zeit, mich diesem Thema zu widmen. Seit April 2020 geniesse ich den Vorruhestand und kann mich mehr all den Aktivitäten widmen, die vorher zu kurz gekommen sind. Durch eine glückliche Fügung kam ich mit FreeTheBees in Kontakt und besuchte einen Kurs von André Wermelinger. Die Philosophie und der globale Ansatz haben mich auf Anhieb überzeugt. Von diesem Moment an beschloss ich, mich für FreeTheBees zu engagieren. Danach führte eins zum anderen: Bereits an der ersten Sitzung wurde ich als Verantwortlicher für FreeTheBees Suisse romande gewählt und wurde auf Anhieb Mitglied des Schweizer Vorstands.

André Dunand auf der grünen Wiese (Bild: Manu Friederich)

Warum liegen Ihnen insbesondere Bienen am Herzen?

Bienen sind lebenswichtig für die Natur, für die Bestäubung und für das natürliche Gleichgewicht. Ich wollte mich schon lange für diese ehrenhafte Sache engagieren. Endlich konnte ich damit beginnen. Ich habe mir umgehend zwei Bienenstöcke angeschafft sowie zwei Blumenwiesen angelegt.

Einerseits faszinieren mich die Lebensweise und die Struktur von Bienenvölkern. Es gibt eine klare Organisation: Da ist die eierlegende Königin sowie die allein der Fortpflanzung dienlichen Männchen, genannt Drohnen, die nach getaner Pflicht gefressen werden. Um sie herum sorgt das weibliche Bienenvolk für das Wohl der Brut und der Königin. Faszinierend an den Weibchen ist, dass sie während ihres ganzen Lebens einem Rollenwechsel unterliegen. Sie entwickeln sich mit zunehmendem Alter und übernehmen andere Aufgaben.

Andererseits liebe ich es, Zeit damit zu verbringen, die Bienen zu beobachten, mich zu vergewissern, dass es ihnen gut geht und ihrem Summen zu lauschen. Das ist sehr entspannend. Sogar meine dreijährige Enkeltochter ist bereits fasziniert von der Rolle der Bienenkönigin. Sie begleitet mich oft auf meinen Beobachtungsstreifzügen.

Wie geht es den Bienen generell?

Sie geniessen allgemein eine unglaubliche Beliebtheit. Leider ist die Öffentlichkeit schlecht über die tatsächliche Situation der Biene, insbesondere der Honigbiene, informiert. Fakt ist, dass die meisten Imker eine intensive Zucht betreiben. Sie betrachten die Biene hauptsächlich als Honigproduzentin und beuten sie übermässig aus. Zudem greifen die meisten Imker zu gefährlichen Produkten wie Oxalsäure. Wir sind also weit entfernt von einer idyllischen und respektvollen Welt in den Bienenstöcken.

Was müssten die Bienenhalter ändern?

Es sind drei Dinge und gleichzeitig die drei Säulen, auf denen FreeTheBees seine Philosophie stützt:

Erstens muss die Biene zurückkehren in die wilde Natur. Nur so kann sie sich an deren Entwicklung anpassen, so wie sie es bisher getan hat. Die ausschliessliche Haltung der Biene in Bienenstöcken sowie die Kontrolle über ihre Honigproduktion ist mit einem Leben in der wilden Natur nicht vereinbar.

Zweitens muss die Imkerei nachhaltig werden. Um dieses Ziel zu erreichen, organisiert FreeTheBees Ausbildungskurse für Imker. Sie lernen, wie sie die Imkerei nachhaltig diversifizieren und weniger intensiv betreiben können.

Drittens muss der Lebensraum der Bienen aufgewertet werden. Das heisst, dass wir überall, wo sie nicht alleine überleben können, die Vielfalt an blühenden Honigpflanzen erhöhen müssen. Zudem können wir den Bestand von hohlen Bäumen bzw. Höhlen in Bäumen fördern und so wichtigen Lebensraum schaffen.

Wie geht es Ihren eigenen Bienen?

Da ich erst im April mit der Bienenhaltung angefangen habe, sind meine Erfahrungen noch ganz frisch. Mein primäres Ziel ist es, Bienenvölkern einen natürlichen, wilden Lebensraum zu bieten. Dafür habe ich im Jahr 2020 zwei Bienenstock-Modelle von SwissTree als Unterschlupf installiert. Der Lebensraum Swiss Tree wurde dank der Zusammenarbeit zwischen FreeTheBees und der Firma Nova Ruder entwickelt. Swiss Tree erleichtert den Bienenvölkern eine Rückkehr in die Natur. Seine Form gleicht den natürlichen Hohlräumen in Bäumen, in denen die Insekten in der wilden Natur zuhause sind. Im Gegensatz zum traditionellen Bienenstock sind die Wände des SwissTree dicker und bieten den Bienen einen besseren Schutz vor der Hitze des Sommers und der Kälte des Winters. In einem Swiss Tree kann ein Bienenvolk mit nur drei Kilo Honig überwintern. Im traditionellen Bienenstock benötigt es zum Überleben mindestens viermal soviel.

Im Swiss Tree kann ein Bienenvolk mit einem Viertel des normalerweise benötigten Honigs überleben. (Bild: Manu Friederich)

Haben Sie bezüglich FreeTheBees eine Vision? Wenn ja, wie realistisch ist deren Umsetzung? Was braucht es dazu?

Es ist die Rückkehr der Biene in die Natur. Mir ist wichtig, alles Mögliche dafür zu unternehmen. Dazu gehört auch, die Öffentlichkeit kontinuierlich über die bedrückende Realität der Bienen in den Imkereien und die Gefahren der intensiven Zuchthaltung zu informieren.

Haben Sie ein persönliches Lebensmotto?

Man soll das Glas immer halbvoll sehen.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Teil Ihrer Erbschaft an FreeTheBees zu spenden? Was motiviert Sie dazu?

Ich bin seit einem Jahr im Ruhestand, habe keine finanziellen Sorgen und mein Haus ist bereits jetzt auf den Namen unseres einzigen Sohnes überschrieben. Das gab den Anstoss, über dieses Thema nachzudenken. Meine Entscheidung ist noch nicht endgültig. Meine Frau und mein Sohn kennen meine Gedanken. Solange meine Zukunft und die meiner Familie gesichert ist, erachte ich es als wichtig, einen Teil meines Vermögens einer Sache zu stiften, die mir am Herzen liegt.

Wie können Interessierte die Aktivitäten von FreeTheBees unterstützen?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten: Jede Person kann einen beliebigen Betrag für FreeTheBees spenden oder ein bestimmtes Projekt unterstützen. Derzeit gibt es mehrere Projekte , beispielsweise das Swiss BeeMapping, die Ausbildung von Spürhunden oder die Schaffung von Lebensräumen für Wildbienen.

Man kann aber auch Mitglied werden. Es gibt verschiedene Varianten: das reguläre Mitglied, das silberne, das goldene und das platin. Jede der vier Mitgliedschaften beinhaltet unterschiedliche finanzielle Konditionen und Vorteile. Informationen dazu finden Sie auf unserer Website: FreeTheBees.ch.

Eine Biene fliegt in den Swiss Tree. (Bild: Manu Friederich)

Jede*r Honigliebhaber*in sollte sich bewusst sein: Honig ist kein Massenprodukt. Purer Honig ist ein Geschenk der Natur, eine Delikatesse. Eine artgerechte Tierhaltung ist für die Zukunft der Bienen und des Ökösystems von immenser Bedeutung. Darum sollte man auf die ökologische Qualität des Honigs achten. Vorsicht: Die gängigen Bio-Labels taugen da nicht viel.

Wir empfehlen, Honig von Bienenständen fernab von intensiver Landwirtschaft zu kaufen. Zurzeit arbeitet FreeTheBees an einem eigenen Honiglabel. Es heisst ApiVita und bringt ökologisch nachhaltigen Honig hervor. Unter diesem Label darf der Imker mit 80% seines Bestandes extensiv Honig produzieren, muss aber daneben 20% seiner Bienenvölker naturnah halten. Der erste ApiVita Honig wird voraussichtlich 2022 auf den Markt kommen.

In der Zwischenzeit empfehlen wir allen, ihren Honig bei lokalen Imkern und Händlern einzukaufen, die nach den Grundsätzen der Delinat-Imkerei produzieren und nicht primär an der kurzfristigen Ertragsoptimierung interessiert sind. Eine Auswahl an nachhaltigen Honiganbietern ist unter vitaverdura.ch, honigwahl.ch und bienli.ch aufgelistet. Mehr über das Thema Honigkonsum finden die Leser*innen unter https://freethebees.ch/honig/.


FreeTheBees ist die wohl einzige Honigbienen-Organisation Europas frei von Imkerinteressen. Die Mitglieder geniessen ein offenes, ehrliches und kritisch-konstruktives Tätigkeitsumfeld. Ein wissenschaftlicher Beirat sichert die Qualität der Arbeiten und gewährleistet eine unabhängige, fachübergreifende und objektive Sichtweise.
FreeTheBees ist Partner von Dein Adieu.ch.
André Dunand (1957) aus Fribourg ist Heilpädagoge und hat während dreissig Jahren in der Umgebung von Freiburg einen Arbeitsplatz für Erwachsene mit Behinderungen geführt. Mit seiner Frühpensionierung im Jahr 2020 ist er dem Vorstand von FreeTheBees beigetreten. Seit 2004 leitet er die «Salons du mieux-vivre» in Fribourg und Saignelégier. Ausserdem ist André 2009 Präsident der VOPSI, Verband der Organisationen des Personals der Sozialen Institutionen des Kantons Freiburg.

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