Das Wichtigste in Kürze:
- Derzeit ist jede Form der Sterbehilfe in Grossbritannien vollständig verboten und wird mit bis zu 14 Jahren Gefängnis bestraft.
- Momentan wird die «Terminally Ill Adults (End of Life) Bill» im Oberhaus (House of Lords) diskutiert. Es ist somit zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar, ob dieses Gesetz in Kraft treten wird.
- Im Gesetzesentwurf werden strenge Voraussetzungen vorgesehen: Nur unheilbar Kranke oder Patientinnen und Patienten mit einer Lebenserwartung von weniger als 6 Monaten können Sterbehilfe erhalten. Ausserdem muss der Antrag auf Sterbehilfe von zwei voneinander unabhängigen Ärztinnen oder Ärzten geprüft werden und von einem spezialisierten Gremium bewilligt werden.
- In der Schweiz ist passive Sterbehilfe bereits seit vielen Jahren möglich und wird durch Organisationen wie Exit oder Dignitas angeboten. Dennoch ist auch in der Schweiz die aktive Sterbehilfe streng verboten.
Die aktuelle Lage in Grossbritannien
Bis jetzt ist Sterbehilfe in Grossbritannien streng verboten. Bis zu 14 Jahre Gefängnis drohen jenen, die Beihilfe zum Suizid leisten. Bereits die Ermutigung zum Suizid kann strafbar sein. Diese strenge Regelung gilt für ganz Grossbritannien, mit Ausnahme von Schottland, wo ebenfalls ein Gesetzesentwurf diskutiert wird.
Aufgrund dieses strengen Verbots sehen sich viele britische Patientinnen und Patienten gezwungen, für Sterbehilfe ins Ausland zu reisen. Dies ist jedoch nicht billig. Nach Angaben der Organisation «Dignity in Dying» müssen betroffene Personen rund 15’000 £ aufwenden, um für assistierten Suizid aus Grossbritannien in die Schweiz reisen. Es scheint daher nachvollziehbar, dass nach einer Umfrage der Organisation Humanists über 74% der britischen Bevölkerung die Legalisierung der Beihilfe zum Suizid befürworten. Dadurch könnten britische Patientinnen und Patienten im eigenen Land autonom und ohne einen enormen Kostenaufwand über ihr Lebensende entscheiden.
Trotz dieser weitreichenden Unterstützung gibt es viele Stimmen, die sich gegen den assistierten Suizid aussprechen. Diese Stimmen kommen beispielsweise aus religiösen Gemeinschaften, wie die Gruppe «Christian Concern» (Christliche Sorge), aber auch Behindertenverbände und Teile der Ärzteschaft warnen vor Missbrauch der Beihilfe zum Suizid. Das Gesetz könnte dazu führen, dass besonders auf vulnerable Gruppen Druck ausgeübt wird, diesen Weg zu beschreiten.
Die Grundzüge des britischen Gesetzesentwurfes
Die «Termally Ill Adults (End of Life) Bill» setzt Folgendes voraus für die passive Sterbehilfe:
- Die betroffene Person hat das 18. Lebensjahr erreicht und ist urteilsfähig. Wie auch in der Schweiz wird in Grossbritannien bei Erwachsenen die Urteilsfähigkeit grundsätzlich vermutet.
- Weiter muss die betroffene Person seit mindestens zwölf Monaten in England oder Wales leben und dort bei einem Hausarzt registriert sein.
- Um den Prozess in die Wege zu leiten, muss die betroffene Person in der Präsenz einer ärztlichen Fachperson sowie einer weiteren Person erklären, dass sie die passive Sterbehilfe beantragen möchte.
- Die betroffene Person muss unheilbar krank sein. Das ist der Fall, wenn die Person eine unausweichlich fortschreitende Krankheit hat, die nicht behandelt werden kann. Alternativ ist auch von einer unheilbaren Krankheit auszugehen, wenn die Person in den kommenden sechs Monaten wegen der Krankheit versterben wird.
- Die oben genannten Voraussetzungen werden durch zwei unabhängige Ärzte geprüft. Ausserdem sollen sie sicherstellen, dass der Patient psychisch in der Lage ist, seinen Todeswunsch frei von äusseren Zwängen zu formulieren
- Zuletzt wird vorausgesetzt, dass ein speziell zusammengesetztes Gremium den Antrag auf assistierten Suizid annimmt. Es bestehen hierbei strenge Voraussetzungen, wer Teil dieses Gremiums sein darf. So sind nur Personen aus dem rechtlichen, medizinischen oder sozialarbeiterischen Feld zugelassen.
Die aktuelle Lage in der Schweiz
Die Ausgangslage in der Schweiz ist grundliegend anders als in Grossbritannien. Das schweizerische Strafgesetzbuch (StGB) bestraft nur die aktive Sterbehilfe in Art. 111 bis Art. 113 StGB. Eine explizite gesetzliche Regelung über die Beihilfe zum Suizid gibt es, abgesehen von Art. 115 StGB, jedoch nicht.
Beispiel der strafbaren aktiven Sterbehilfe: Marcus möchte sich aufgrund seiner Erkrankung das Leben nehmen. Da er aber vollkommen gelähmt ist und im Rollstuhl sitzt, kann er das nicht allein tun. Aus diesem Grund verabreicht sein Freund ihm eine tödliche Dosis an Medikamenten.
Die Beihilfe zum Suizid ist hingegen nicht verboten. Dies wird aus Art. 115 StGB ersichtlich, welcher Folgendes besagt:
«Wer aus selbstsüchtigen Beweggründen jemanden zum Selbstmorde verleitet oder ihm dazu Hilfe leistet, wird, wenn der Selbstmord ausgeführt oder versucht wurde, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafebestraft.» (Art. 115 StGB)
Dieser Gesetzesartikel bietet die Grundlage für Organisationen, wie Exit und Dignitas. Sofern sie nicht aus selbstsüchtigen Motiven handeln, ist die Beihilfe zum Suizid straffrei. Weiter dürfen Exit und Dignitas den Patientinnen und Patienten die tödliche Substanz vermitteln. Die betroffene Person nimmt diese Substanz selber, ohne Fremdeinwirkung, ein.
Beispiel der straffreien Beihilfe zum Selbstmord: Wie im obigen Beispiel, möchte auch hier Marcus sich aufgrund seiner langjährigen Erkrankung das Leben nehmen. Dieses Mal fragt er aber Ilias nur, ihm die Medikamente zu beschaffen. Die Einnahme der tödlichen Dosis macht Marcus selbstständig.
Die schweizerische und die britische Sterbehilfe im Vergleich
Nach dem Gesetzesentwurf in Grossbritannien können nur Personen, die als «unheilbar krank» gelten, Sterbehilfe beantragen. Es besteht somit eine sehr strikte Grundvoraussetzung, die besagt, welche Patientinnen und Patienten überhaupt Sterbehilfe beanspruchen können. In der Schweiz hingegen können sich auch Personen mit anderweitigen chronischen oder psychischen Krankheiten sich an Organisationen wie Exit oder Dignitas wenden.
Eine Gemeinsamkeit der beiden Länder besteht jedoch darin, dass sie nur die Beihilfe zum Selbstmord erlauben. Die aktive Sterbehilfe ist und bleibt in beiden Ländern verboten.