Immobilien im Pflegefall

Wird eine Person zum Pflegefall, ist für die Pflege mit hohen Kosten zu rechnen. Was geschieht, wenn das Einkommen zur Finanzierung der Pflegekosten nicht mehr ausreicht? Welche Rolle spielt dabei das Wohneigentum?

Das Wichtigste in Kürze

  • Wird man zum Pflegefall, sind damit oft hohe Kosten verbunden. Falls das Einkommen der pflegebedürftigen Person zur Finanzierung des Pflegeheimaufenthalts nicht ausreicht, können Ergänzungsleistungen der AHV/IV beantragt werden.
  • Bei der Beurteilung, ob und in welchem Umfang Anspruch auf Ergänzungsleistungen besteht, wird auch das Vermögen der betroffenen Person betrachtet.
  • Zur Finanzierung der Pflegekosten muss teilweise  auf das Wohneigentum zurückgegriffen werden, da dies oft einen grossen Anteil am Gesamtvermögen ausmacht.
  • Meistens nützt es nichts, wenn Immobilien zum Schutz vor den Pflegekosten an die Nachkommen verschenkt oder vorvererbt werden. So werden verschenkte Vermögenswerte bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen mitberücksichtigt.
  • Nachkommen müssen im Rahmen der Verwandtenunterstützungspflicht ihre bedürftigen Eltern unter Umständen unterstützen. Die Schwelle für eine Unterstützungspflicht ist jedoch hoch angesetzt.

Ergänzungsleistungen zur Deckung der Pflegekosten

Viele Personen im fortgeschrittenen Alter sind auf Pflege angewiesen. Die Pflege und der Aufenthalt in einem Pflegeheim sind mit hohen Kosten verbunden. So betragen die Kosten für einen Heimaufenthalt mehrere Tausend Schweizer Franken im Monat. Den grössten Teil dieser Pflegekosten muss die pflegebedürftige Person selbst mit ihren AHV- und Pensionskassenrenten finanzieren. Weitere Teile der Kosten bezahlt die Krankenkasse sowie unter Umständen die Hilflosenentschädigung der AHV/IV.

Reicht das Einkommen der pflegebedürftigen Person nicht aus, kann die Person bei der AHV/IV zudem Ergänzungsleistungen beantragen. Die Kantone sind für die Auszahlung der Ergänzungsleistungen zuständig. Sie sollen sicherstellen, dass die minimalen Lebenskosten gedeckt sind. Je tiefer das Einkommen der pflegebedürftigen Person ist, desto höher fallen die Ergänzungsleistungen aus. Umgekehrt bedeutet dies, dass kein Anspruch auf Ergänzungsleistungen besteht, falls das Einkommen den Lebensbedarf sowie weitere Kosten – wie insbesondere die Prämien für die Krankenpflegeversicherung – decken. Der Lebensbedarf beträgt für Ehepaare monatlich CHF 2’451.25 und für Alleinstehende CHF 1’634.10.

Hat das Vermögen und der Besitz von Immobilien Einfluss auf die Ergänzungsleistungen?

Die Höhe der Ergänzungsleistungen hängt nicht nur vom Einkommen der pflegebedürftigen Person, sondern auch von deren Vermögen ab. Die pflegebedürftige Person soll zur Finanzierung der Pflege nämlich zuerst auf einen Teil ihres Vermögens zurückgreifen (sogenannter Vermögensverzehr). Die Berücksichtigung der Vermögenswerte erfolgt nach bestimmten Regeln. So wird ein Anteil des Vermögens als Einkommen angesehen, welcher dann die Ergänzungsleistungen reduziert oder den Anspruch gar vollständig verhindert. Im Allgemeinen gilt, dass die pflegebedürftige Person bis zu einer bestimmten Höhe des Vermögens kein Vermögensverzehr hinnehmen muss. Übersteigt das Vermögen diesen Freibetrag gilt grundsätzlich 10% des Vermögens als Einkommen. Die genaue Höhe des Vermögensverzehrs bestimmt sich je nach Art des Vermögenswertes und dem Zivilstand der pflegebedürftigen Person.

Allgemeiner Vermögensfreibetrag bei verheirateten Paaren

Grundsätzlich gelten bei verheirateten Altersrentner:innen 10% des Teils des Vermögens als Einkommen, der CHF 50’000 übersteigt. Der Vermögensfreibetrag beträgt somit CHF 50’000.

Die Kantone können den Prozentsatz des Vermögensverzehrs für im Pflegeheim oder Spital lebende Altersrentner:innen abweichend von den 10% auf maximal 20% festsetzen. Einige Kantone haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und sehen so für Altersrentner:innen im Pflegeheim/Spital einen Vermögensverzehr von 20% des Reinvermögens vor.

Beispiel: Vermögensverzehr unter Berücksichtigung des Freibetrags bei verheirateten Paaren

Frau und Herr Huber sind Altersrentner und haben Ergänzungsleistungen beantragt, da ihre Renten für den Lebensbedarf nicht ausreichen. Sie verfügen über ein Vermögen von CHF 150’000 (kein Wohneigentum). Unter Berücksichtigung des Vermögensfreibetrages in der Höhe von CHF 50’000 gelten 10% von CHF 100’000 als Vermögensverzehr. Dies bedeutet, dass dem Einkommen jährlich CHF 10’000 hinzugerechnet werden.

Allgemeiner Vermögensfreibetrag bei alleinstehenden Personen

Grundsätzlich gilt bei alleinstehenden Altersrentner:innen 10% des Vermögens als Einkommen, welches CHF 30’000 übersteigt. Der Vermögensfreibetrag beträgt somit CHF 30’000.

Beispiel: Vermögensverzehr unter Berücksichtigung des Freibetrags bei alleinstehenden Personen

Die alleinstehende Altersrentnerin Frau Weber ist zur Finanzierung ihres Heimaufenthalts auf Ergänzungsleistungen angewiesen. Frau Weber verfügt über ein Vermögen von CHF 50’000 (kein Wohneigentum). Somit beträgt der als Einkommen geltende Vermögensverzehr CHF 2’000 falls der Kanton einen Vermögensverzehr von 10% vorsieht oder CHF 4’000 falls der Kanton den Vermögensverzehr für im Pflegeheim oder Spital lebende Altersrentner:innen auf 20% erhöht hat. Dies sind 10% bzw. 20% des Vermögens, welches CHF 30’000 übersteigt (50’000 – 30’000 = 20’000).

Oft macht Wohneigentum einen grossen Anteil am Gesamtvermögen aus. Grundsätzlich gilt auch hier, dass 10% bzw. 20% des Vermögens nach Abzug eines Vermögensfreibetrags als zusätzliches Einkommen gelten. Zudem rechnet die zuständige AHV/IV-Stelle bei der Beurteilung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen den Eigenmietwert der selbstbewohnten Immobilie als Einkommen hinzu.

Wohneigentümer profitieren jedoch von höheren Vermögensfreibeträgen, falls die pflegebedürftige Person oder ihr Ehegatte in der Immobilie wohnen. Dies soll verhindern, dass das Zuhause verkauft werden muss, wenn man pflegebedürftig wird.

Spezialfall 1: Bewohnte Immobilie

Wohnt mindestens einer der beiden Ehegatten oder eine alleinstehende Person in einer Immobilie, ist nur der Wert der Liegenschaft als Vermögen zu berücksichtigen, der CHF 112’500 übersteigt.

Beispiel: Berechnung des zu berücksichtigten Vermögensverzehrs

Herr und Frau Meier sind Altersrentner und seit vielen Jahren glücklich verheiratet. Gesundheitliche Probleme machen Herrn Meier zu einem Pflegefall. Ein Aufenthalt im Pflegeheim ist aber noch nicht notwendig. Da das Ehepaar über zu tiefe AHV- und Pensionskassenrenten zur Finanzierung der Lebens- und insbesondere der Pflegekosten verfügt, beantragt es Ergänzungsleistungen. Das Ehepaar verfügt über ein gemeinsames jährliches Einkommen von CHF 20’000 und über ein bewegliches Vermögen in Form von Schmuckstücken und Bankkonten im Wert von insgesamt CHF 60’000. Zusätzlich hat das Ehepaar die selbstbewohnte Wohnung im Wert von CHF 200’000 in ihrem Vermögen.

Zur Bestimmung, ob und in welchem Umfang Anspruch auf Ergänzungsleistungen besteht, wird das Einkommen und das Vermögen des Ehepaars betrachtet. Das zu berücksichtigende Einkommen beträgt nicht nur das tatsächliche Einkommen in der Höhe von CHF 20’000, da auch ein Anteil des Vermögens, der Vermögensverzehr, hinzugerechnet wird.

Bewegliches Vermögen

Bei verheirateten Altersrentner beträgt der Freibetrag beim beweglichen Vermögen CHF 50’000. Da das Ehepaar Meier über bewegliches Vermögen von insgesamt CHF 60’000 verfügt, sind CHF 10’000 relevant für die Berechnung des Vermögensverzehrs. Von diesen CHF 10’000 werden 10% als Vermögensverzehr und somit Einkommen qualifiziert. Dies sind CHF 1’000.

Selbstbewohnte Liegenschaft

Der Freibetrag auf die selbstbewohnte Wohnung beträgt CHF 112’500. Als Einkommen hinzugerechnet wird somit nicht der gesamte Wert der Wohnung, sondern nur die Differenz zwischen CHF 112’500 und dem Wert der Wohnung, vorliegend CHF 200’000. Somit wird für die Berechnung CHF 87’500 verwendet (CHF 200’000 – CHF 112’500). Davon wird wiederum 10% als Einkommen qualifiziert, weshalb sich das Einkommen um weitere CHF 8’750 erhöht.

Gesamter Vermögensverzehr

Insgesamt wird bei Herrn und Frau Meier somit CHF 9’750 als Vermögensverzehr dem Einkommen hinzugerechnet. Dies sind die CHF 1’000 aus dem beweglichen Vermögen und CHF 8’750 aus dem Wohneigentum.

Spezialfall 2: Ein Ehegatte wohnt in der Immobilie und der andere Ehegatte lebt im Pflegeheim

Von einem noch höheren Freibetrag profitieren Ehegatten, wenn der eine Ehepartner in der Immobilie wohnt und der andere im Pflegeheim ist.

Bei verheirateten Wohneigentümern beträgt der Freibetrag CHF 300’000, sofern einer der Ehegatten in der Liegenschaft wohnt und der andere in einem Pflegeheim lebt. Sobald jedoch beide Ehegatten im Pflegeheim sind, beide Ehegatten wieder in der Liegenschaft wohnen oder eine:r der Ehegatten verstirbt, ist der Spezialfall 2 nicht mehr anwendbar.

Erbvorbezüge und Schenkungen schützen das Vermögen nur begrenzt

Da die AHV/IV auch das Vermögen bei der Beurteilung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen berücksichtigt, könnte man versucht sein, das Vermögen vorher zu verschenken oder zu vererben. In der Praxis funktioniert dies nur begrenzt, da freiwillige Vermögensverzichte dem Vermögen hinzugerechnet werden. Vererbt oder verschenkt man beispielsweise das Haus oder die Wohnung den Nachkommen, gilt dies als anrechenbarer Vermögensverzicht. Anrechenbar bedeutet, dass die Immobilie für die Festsetzung der Ergänzungsleistungen nach wie vor als Vermögen gilt. Durch einen freiwilligen Vermögensverzicht kann der Vermögensverzehr aufgrund eines Aufenthalts im Pflegeheim nicht umgangen werden. Anrechenbar ist jedoch nicht der gesamte Wert des Vermögenswertes, auf den verzichtet wurde. So reduziert sich der anrechenbare Vermögensverzicht ab dem zweiten Jahr jährlich um CHF 10’000.

Beispiel: Anrechenbarer Vermögensverzicht

Das Ehepaar Müller hat sich im Jahr 2012 dazu entschieden, ihrer Tochter ein Einfamilienhaus als Erbvorbezug zu überschreiben. Der Wert des Einfamilienhauses betrug im Zeitpunkt der Überschreibung CHF 500’000. Im Jahr 2022 beantragt das Ehepaar Müller Ergänzungsleistungen, da ihre Renten zur Deckung der Pflegeheimkosten nicht ausreichen. Der Erbvorbezug im Jahr 2012 wird mit einem Wert von CHF 410’000 an das Vermögen des Ehepaars angerechnet, um den Anspruch auf die Ergänzungsleistungen zu prüfen. Dies sind der Wert des Einfamilienhauses zum Zeitpunkt der Überschreibung (CHF 500’000) abzüglich von CHF 10’000 ab dem zweiten Jahr nach der Überschreibung (9*CHF 10’000= CHF 90’000).

Nachkommen werden nur selten unterstützungspflichtig

In der Schweiz gibt es zwar eine Verwandtenunterstützungspflicht, zur Anwendung kommt diese jedoch äusserst selten. So werden die Verwandten wie beispielsweise die Nachkommen nur unterstützungspflichtig, wenn sie sich in «günstigen Lebensverhältnissen» befinden und bereits Sozialhilfe an die zu unterstützende Person(en) bezahlt wurde. Der Schwellenwert für das Vorliegen «günstiger Lebensverhältnisse» ist hoch angesetzt, weshalb Nachkommen meist nicht für die Heimkosten ihrer Eltern aufkommen müssen.

Bei der Überprüfung, ob beispielsweise ein Nachkomme unterstützungspflichtig ist, ist neben dessen Einkommen auch wieder das Vermögen relevant. Je höher das Vermögen, desto eher wird der Nachkomme unterstützungspflichtig. Verschenken die Eltern Teile ihres Vermögens an den Nachkommen, ist die Unterstützungspflicht wahrscheinlicher. Dadurch wird verhindert, dass der Staat Sozialhilfe leistet, auch wenn das Familienvermögen ausreichen würde.

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3 Antworten auf „Immobilien im Pflegefall“

V. Porfido sagt:

Hier ist ein Fehler im Artikel. Der anrechenbare Verzehr ist bei Personen mit einer AHV-Rente im Heim 5% und nicht 10%.
Das zweite ist, dass die Kinder indirekt dich die Eltern unterstützen werden mssen. Wenn bei den Ergönzungsleistungen kein oder ein geringer Anspruch besteht, mauss die Sozialhilfe das Defizit decken. Diese werden dann Rückgriff auf die Kinder nehmen, was den Anteil am Erbvorbezug betrifft.

Flurin Oehen, B.A. HSG in Law and Economics sagt:

Guten Tag

Wir möchten uns vielmals für Ihren Kommentar bedanken!

Wir sind von einem grundsätzlichen Vermögensverzehr von 10% des Reinvermögens bei Altersrentner:innen ausgegangen, weil dies im Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG) so vorgesehen ist. Das Gesetz sieht aber auch vor, dass die Kantone den Vermögensverzehr für im Heim oder Spital lebende Personen abweichend festlegen können (höchstens 20%). Von dieser Möglichkeit haben einige Kantone (beispielsweise der Kanton Zürich) Gebrauch gemacht und so den Vermögensverzehr für im Heim wohnende Altersrentner:innen auf 20% festgesetzt (deswegen wird im Beitrag von «grundsätzlich» 10% gesprochen). Daneben gibt es aber Kantone (beispielsweise der Kanton Wallis), welche den Vermögensverzehr auch für Altersrentner:innen im Heim auf 10% belassen. Einen Kanton mit einem Vermögensverzehr von 5% gibt es zurzeit nicht. Gerne werden wir den Text der Verständlichkeit halber diesbezüglich konkretisieren und so weiteren Unklarheiten vorbeugen.

Betreffend Ihren zweiten Punkt kann festgehalten werden, dass der Anspruch auf Verwandtenunterstützung dem Anspruch auf Sozialhilfe vorgeht. Dies bedeutet, dass eine (Teil-) Abwälzung der ausgerichteten Sozialhilfe möglich ist, sofern die Voraussetzungen der Verwandtenunterstützungspflicht erfüllt sind. Deswegen haben wir in unserem Beitrag Folgendes festgehalten: «Verschenken die Eltern Teile ihres Vermögens an den Nachkommen, ist die Unterstützungspflicht wahrscheinlicher.». Wie sie also korrekt festhalten, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Verwandtenunterstützungspflicht besteht, wenn Vermögen der Eltern durch Erbvorbezüge an die Nachkommen weitergeben wurde.

Wir möchten uns nochmals für den Hinweis bedanken und hoffen, dass der Ratgeberbeitrag durch die Ergänzung verständlicher wird.

Freundliche Grüsse
Ihr DeinAdieu-Team

B_1987 sagt:

Eine Verwandtenunterstützungspflicht wird äusserst selten vollzogen (hohe Grenzwerte: steuerbares Einkommen bei verheirateten >180000 / + 20000 pro Kind, Vermögen > 500000 /+ 40000.- pro Kind) und es ist vom Kanton abhängig (z.B: Basel-Land hat die Verwantenunterstützungspflicht abgeschafft). Wird zum Beispiel ein Haus mit Nutzungsrecht an die Kinder verschenkt/übertragen, kann es sein, dass man bei einem Pflegeheimeintritt seinen Anspruch aufgrund Vermögensverzicht auf EL verliert. In diesem Fall würde aber schlussendlich die Sozielhilfe einspringen und wie bereits erwähnt, muss in den meisten Fällen kein Verwandter Unterstützung leisten.

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