Valentin Landmann: «Ich fürchte den Tod nicht»

Der wohl bekannteste Anwalt der Schweiz erzählte DeinAdieu warum er sich eine Karriere als Gespenst vorstellen könnte.

Sein Händedruck ist fest. Warm. Valentin Landmann, von den Medien Star- oder Millieuanwalt genannt, streicht sich die Augenbrauen glatt und sagt lächelnd: «Das Einzige, das ich noch kämmen muss.» Tatsächlich, Landmanns kahlen Schädel ziert kein Härchen.

Der Autor bat Valentin Landmann um ein Gespräch über Leben und Tod. Über die Endlichkeit, über die Vergänglichkeit des Lebens. Über Uhren, über die Zeit, über Totenköpfe. Bei Valentin Landmann gehört das alles zusammen.

Dem Toten nützen die Tränen nichts
Wie hat er es denn mit dem Tod? Valentin Landmann spreizt die Finger beider Hände und legt sie aneinander. Denkt nach. «Ein Biker-Kollege sagte mir einst bei der Beerdigung eines Kameraden: ‹Valentin, der Tod ist etwas völlig Normales, er gehört unweigerlich zum Leben.›»  Die Beerdigung, die Bestattung, die Abschiedsfeier sei dann nur noch ein Anlass für die Angehörigen, für Freunde und Kollegen. «Sie trauern um jemanden, der weg ist. Der eine Lücke hinterlässt. Und mit dieser Lücke müssen die Hinterbliebenen leben lernen. Egal, wie sie trauern, dem Toten nützen all die Tränen nichts mehr. Fürwahr, es ist wichtig, dass der Verstorbene sein Leben gelebt hat, bis zum Tod.»

Das Leben leben
«‹Valentin, geniess das Leben so lange es da ist›, sagte der Biker-Kamerad. Das heisst für mich: Lebe im Augenblick. Mach etwas aus deinem Leben. Dann kannst du dereinst zufrieden und glücklich gehen.» Gehen. Aber wohin?

Zur Religion hat Valentin Landmann ein differenziertes Verhältnis, aufgewachsen in einem jüdischen Haushalt mit Mutter und Grossmutter. Heute bezeichnet er sich als gläubigen Christen, als Protestanten. Schwierig sind für ihn Fanatiker aller Couleur. Landmann kann den Absolutheitsanspruch fanatischer Kleriker nicht verstehen. Schon gar nicht bei fanatischen Muslimen. Warum, erzählt er dem Chronisten.

Valentin Landmann: «Ein Paradies in kindlichem Sinne sehe ich nicht»
Vor einiger Zeit habe ihm ein pakistanischer Minister ein kurzes Video vorgeführt. Es habe einen einen jungen Mann gezeigt. Der liess sich mit den beiden Auslösern einer Sprengladung filmen. Eine Sequenz später sah der Anwalt, wie ein LKW in einem Feuerball explodierte und wohl unzählige Menschen mit in den Tod riss. Landmann hält inne. Schweigt. Dann fährt er fort: In der Schlussszene habe der Attentäter in die Kamera gelacht und gesagte, er freue sich nun aufs Paradies und auf die 72 Jungfrauen, die dort auf ihn warten würden. «So en Seich», entfährt es ihm. «Was will ein Mann mit 72 Anfängerinnen?». Dann lacht er.

«Wer auf ein solches Paradies wartet, dürfte enttäuscht werden», sagt er. «Aber was kommt nachher?», fragt der Autor. Valentin Landmann zuckt mit den Schultern. «Wir müssen unsere Lebenszeit brauchen, was nachher kommt, weiss niemand. Zugegeben, es gibt Religionen, die gaukeln einem etwas vor. Aber das sind nur bildliche Vorstellungen. In welcher physischen Form wir gehen, weiss niemand. Und wohin wir gehen, weiss auch keiner. Es ist auch egal. Ob es nun der Himmel ist, ob wir in die Hölle gehen oder wohin auch immer. Es bleibt ein Geheimnis. Man muss da einiges offen lassen, es ist nicht alles fertig, denke ich. Es bleibt etwas von uns bestehen. Etwas das grossen Wert hat. Und das setzt sich fort.»

Valentin Landmann zeigt den silbernen Totenkopf, der an seiner Hose baumelt. Ein Hamburger Juwelier fertigte ihn extra für den Schweizer. «Ich trage ihn immer. Er ist mein Memento*.  Vor Gericht erinnert es mich, dass ich um die Lebenszeit meiner Klienten kämpfe. Lebenszeit. Dieses Thema fasziniert mich.»

Anwalt Valentin Landmann und DeinAdieu-Autor Martin Schuppli
Verstanden sich prächtig: Anwalt Valentin Landmann und DeinAdieu-Autor Martin Schuppli. (Foto: Bruno TorricelliI

Das Stundenglas als Symbol für die Vergänglichkeit
Zum Thema Endlichkeit sagt Landmann: «Ich habe einen Fetisch: Ich sammle Uhren. Zum Beispiel auf Krawatten. Ich kann stundenlang über Zahnräder philosophieren.» Kürzlich hat er ein Stundenglas geschenkt bekommen. In Wohnräumen erinnert die Sanduhr daran, dass das Leben nur kurz ist und der Mensch seine wie der Sand verrinnende Zeit sinnvoll nutzen sollte. Das Stundenglas ist in der Archetypenlehre im Sinne von Carl Gustav Jung ein archetypisches Symbol für die Vergänglichkeit alles Irdischen, in abendländischer Tradition auch Vanitas genannt.

Und wie hat er es mit dem Tod, fürchtet sich Valentin Landmann davor? «Ich fürchte ein schmerzhaftes Ende. Ein Dahinsiechen. Ich fürchte, dass ich nicht mehr arbeiten kann, fürchte Schmerzen, fürchte das Leiden.» Kein Problem hätte er, wenn er morgen auf der Strasse umkippen würde. «Dann war es okay, so wie es war. Deshalb würde ich also nicht sagen, dass ich den Tod fürchte. Aber eine Karriere als Gespenst könnte ich mir gut vorstellen.»

Text: Martin Schuppli/Foto: Bruno Torricelli

Totenkopf symbolisiert den Tod.
Symbolisiert den Tod. Der Totenkopf fasziniert und macht Angst. Unser Bild zeigt ein besonders schönes Exemplar aus der Sammlung von Anwalt Dr. Valentin Landmann. (Foto: Bruno Torricelli)

*Memento.
Memento mori ist ein lateinischer Ausspruch, der sich mit «Denke daran, dass du stirbst!» oder ganz allgemein mit «Gedenke des Todes!» übersetzen lässt. Der Ausspruch gilt als Vanitas-Symbol. Vanitas beschreibt die christliche, jüdische Vorstellung, dass sämtliches Leben auf der Erde vergänglich ist. Solche Vanitas-Motive zeigen und erinnern daran, dass der Mensch keine Gewalt über das Leben hat. In der Kunst finden sich häufig Sanduhren oder Totenschädel, die verdeutlichen, dass alles Leben irgendwann vergangen sein wird. Darüber hinaus gibt es Sinnsprüche, die dieses Thema aufgreifen, wie etwa Memento mori oder Carpe diem.
(aus www.wortwuchs.net)

2 Antworten auf „Valentin Landmann: «Ich fürchte den Tod nicht»“

Rita Beier sagt:

Würde mir auch gefallen ……….

[…] Roland Kunz erwähnte das Wort «Memento mori». Gedenke des Todes. Diese lateinischen Worte tauchten in einem meiner ersten Blog-Beiträgen auf. Im Interview mit dem so genannten Millieu-Anwalt Valentin Landmann. […]

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